Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Am Montag ist die letzte Klausur für dieses Semester, dann steht noch ein Umzug an und ich denke dann werd ich es auch mal endlich spielen.
- Achmedtheanimal
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Work in Progress....
Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Deus Ex: Human Revolution (2011)
"Its not the end of the world (But I can see it from here)."
Lostprophets
Ich weiß wirklich nicht, ob es für eine Review eine kluge Strategie darstellt, mit dezidiertem Lob zu beginnen. Ich tue es in diesem Fall trotzdem einmal und hoffe, dass ich damit bis zum Ende des Textes durchkomme. Ich halte Deus Ex: Human Revolution für ein ganz ausgesprochen gutes und in vielen Aspekten vorbildliches Spiel. Mein erster Durchlauf dauerte ungefähr eine Woche. An ihrem Ende rieb ich mir ungläubig die Augen und begann die Reise noch einmal – nur um an ihrem Ende erneut begeistert zu sein. Was Eidos mit dieser Neugeburt einer fast eine Dekade schlummernden Franchise im Jahr 2011 vorgelegt hat, ist angesichts des auch von mir immer wieder beklagten Zustandes der Industrie im AAA-Bereich nichts Geringeres als ein kleines Wunder und treibt mir noch immer Tränen der Freude und Dankbarkeit in die Augen. Dabei möchte ich hier einen Punkt stark machen, der bei allen Unterschieden in der Gameplayauslegung sowie der Levelarchitektur eine Verwandtschaft dieses Titels mit dem für mich anderen großen Spiel des Jahres 2011 offenbart (ohne dabei Bastion, mit dem ich in den vergangenen Wochen sehr viel Spaß hatte, seine Großartigkeit abzusprechen): The Witcher: Assassins of Kings.
Diese beiden Spiele verbindet ihre Reife. Ihre erwachsen wirkende Souveränität. Die Ernsthaftigkeit, mit der sich ihre Macher mit der Genese des jeweiligen Genres und dessen Klassikern auseinandergesetzt haben. Kennerschaft. Die Fähigkeit, ein Konzept zu Ende zu denken und es diszipliniert umzusetzen. Ich habe oft über die Tendenz in diesem Unterhaltungsgenre geschimpft, so zu tun, als wäre es geschichtslos. Über die Ignoranz seiner Evolution gegenüber. Über die Missachtung des Kanons. Nicht, weil ich diesen Kanon an sich für unantastbar und nicht kritisierbar halte. Sondern weil nur mit seiner bewussten Weiterentwicklung eine wirkliche Verbesserung und Evolution stattfinden kann. Ansonsten sind wir auf ewig dazu verdammt, wie die Kleinkinder jeden Tag aufs Neue unser wackeliges Bauklotz-Türmchen zu errichten.
Deus Ex: Human Revolution vereint in sich Aspekte von Spielen, die ich bis heute für wegweisend halte und sozusagen nahe bei meinem Herzen trage. Das originale Deus Ex. Thief 2. System Shock 2. Die Menschen, die dieses Spiel entwickelt haben, sind ganz offensichtlich fundierte Kenner dieser drei auf vielen Ebenen miteinander verbundenen Meilensteine. Ich habe während des Spielens immer wieder Anmutungs-Flashbacks gehabt. Das Inventar, das sich wohltuend an System Shock 2 orientiert, sowie das eindeutig von Braun – inspirierte Schlusslevel in der Antarktis. Die auf schleichendes Erkunden ausgelegten Maps, in denen man mit der KI Verstecken spielen kann. Die Notwendigkeit, mit der Munition zu haushalten. Die erzählerische Tiefe und philosophische Durchdachtheit der Spielwelt. Ich werde mein Lob im Folgenden in drei Absätzen gliedern, die immer auch ein wenig Kritik mit enthalten werden. Meinen Hauptkritikpunkt hebe ich mir für das Ende und einen eigenen Absatz auf.
Ich bin sonst ja nicht der Typ Spieler, dem die optische Anmutung eines Titels für dessen positive Einschätzung extrem zentral ist. Aber ich muss es in diesem Fall sagen: das Artdesign von Deus Ex: Human Revolution gehört für mich zum absolut Besten, was ich in meiner Spielerkarriere bisher erleben konnte. Wie das, mag man fragen? Die visuellen Effekte sind doch lediglich guter Durchschnitt. Die Städtehubs könnten noch viel lebendiger sein. Beispielsweise fuhr durch die frühen Ingamevideos von Detroit noch eine Magnetschwebebahn. Wo ist die abgeblieben? Außerdem gibt es im Grunde überhaupt keine Objektphysik, was die Interaktivität der Level stark beeinträchtigt und für einen AAA-Titel der 2010er Jahre eigentlich zum Pflichtprogramm gehören sollte.
Alles richtig. Ist mir aber egal. Denn ich bekomme die Atmosphäre nicht mehr aus dem Kopf, die sich beim Betreten von Jensens Apartment einstellt, wenn das Licht durch die sich automatisch öffnenden Jalousien fällt. Ich denke an Sarifs Büro. An die Suite von Zhao Yun Ru. An die Deckengestaltung in den Limb-Kliniken und im Versteck von Tong. Ich sehe die Fahrt mit dem Lift in die zweite Ebene von Heng Sha vor mir und wie sich mein Blick zum ersten Mal über die ins Sonnenlicht getauchte künstliche Parklandschaft der Upper Class erstreckt. Dazu im Kontrast die Schlafbuchten der Arbeiter in Lower Heng Sha. Der zentrale Rechnerraum von Tai-Yong-Medical. Der Raum der KI im Bunker von Picus. Panchaea, das riesenhafte Loch im Ozean. Megans weißes Zimmer. Der herzförmige Durchgang, der sich nach dem finalen Bosskampf zum „Raum der Entscheidungen“ öffnet.
Ich denke an die eigens für die Zeit dieses Spiels entworfene, an die Renaissance angelehnte Mode und Innenarchitektur. Ich denke an die Körperaugmentierungen der unterschiedlichen NPC´s von dezent bis martialisch.
Und ich denke an die Sepia-Töne, die das gesamte Spiel dominieren und in eine geheimnisvolle, etwas unwirkliche Stimmung tauchen. Ich war im Vorfeld ein erbitterter Feind des gelben Highlightings (sie haben meinen Protest sogar im Rahmen der an Eidos gerichteten Spieler-Petition neben anderen wörtlich zitiert) und ich habe gejubelt, als die Entwickler ein Einsehen hatten und es optional machten. Ich habe es in meinem ersten Spieldurchlauf nicht deaktiviert. Das gelbe Leuchten war so ein schöner, stimmiger Farbkontrast zum Sepia.
Deus Ex: Human Revolution strahlt eine edle, zeitlose Gediegenheit aus. Wie ein Messinglampenschirm der Belle epoque. Dieses Spiel ist schön. Es schmeichelt dem Auge. Und alle seine Schlüsselszenarien sind gleichzeitig Metaphern für verschiedene politische und (gesellschafts)philosophische Konzepte. Deswegen ist seine Schönheit noch dazu klug. Optik mit Hirn. Vorbildlich.
Jeder Teil der Reihe setzt beim Gameplay einen eigenen Schwerpunkt und definiert für sich eine eigene Auslegung des Spiels. Teil 1 ist bis heute meiner Meinung nach der beste RPG-FPS Hybrid der Videospielgeschichte. Wenn ich ihm eine Waffe zuordnen müsste, wäre es das voll ausgebaute Präzisionsgewehr. Teil 2 erhöhte die Kampfbetonung und ging einen größeren Schritt in Richtung Action-Adventure. Ich verbinde mit ihm vor allem die Betäubungspistole und die Schwarzmarktmod mit der völlig unbalancierten weil überpowerten steuerbaren Sprengdrohne.
Teil 3 nun ist ein Schleicher. Mich hat das überrascht, ich hatte mit so etwas nicht gerechnet. Vor allem nicht damit, dass es der Schleicher werden sollte, der mir seit Thief 2 den meisten Spaß bereiten würde. Klar, man kann Deus Ex: Human Revolution auch als brachialer Fernkämpfer und vor allem als nicht weniger brachialer Nahkämpfer absolvieren. Ausfahrbare Wolverine-Klingen, Sprungattacken aus großer Höhe, die Taifun-Waffe. Das alles versehen mit automatischer Außenkamera, damit die heutige Videospieljugend auch was zum Gucken hat. Hat mich alles nicht sonderlich interessiert. Ich habe lieber meine Stealthpistole aufs Maximum aufgebohrt, sodass ich einzig und allein mit ihrer Hilfe aus der Deckung heraus Faridahs Heli bei unserer Rückkehr nach Heng Sha vor den Belltower-Truppen verteidigen konnte. Ach, Faridah … Sicher, das Spiel drängt einen auch mit der limitierten Munition, dem begrenzten Inventar und nicht zuletzt der Belohnung in Form von etwas mehr XP sanft dazu, den Stealth-Zugang zu wählen. Aber ich habe das nicht als Nötigung empfunden. Denn ich schleiche und verstecke mich sehr gern. Hach, die Freude, sich aus dem Versteck zu lösen und den ahnungslosen Wachmann ins Reich der Träume zu schicken (hier verbunden mit ordentlich viel Knochen brechen und Fresse polieren – nur leider automatisiert auf Knopdruck). Klar ist die KI nicht auf dem Niveau der Wachleute in Thief und manchmal wird die Nummer ein bisschen arg einfach, weil die Laufwege zu leicht ausrechenbar sind. Andererseits war eine gewisse Übermächtigkeit der Spielfigur noch in jedem Teil von Deus Ex gegeben – nur eben auf anderen Feldern als hier. Es macht mir einfach einen Heidenspaß von Deckung zu Deckung zu rollen und in den gut entworfenen Innenlevels Winkel zu suchen, in denen ich einen Wachmann nach dem anderen leise aus dem Spiel nehmen kann. Mich beinahe wie Garrett damals durch Büros und Apartments zu räubern. Außer natürlich Maliks Büro. Faridah beklaue ich nicht. Ach, Faridah … Die Steuerung dafür geht angenehm flüssig von der Hand, der Wechsel aus der Ego-Perspektive in die Third-Person, wenn ich die Option dazu nutzen möchte, funktioniert reibungslos und fließend. Und wer jetzt mit dem Argument kommen möchte, dass das Deckungssystem mit der externen Kamera zu leicht ist und beinahe wie ein Cheat funktioniert, weil einen die KI, so sie von unserer Anwesenheit nichts weiß und also nicht im Suchmodus ist, in der Deckung grundsätzlich nicht sehen kann – dem antworte ich frech, dass das beim guten alten Garrett mit dem Schatten genauso war. Ich kann mich noch sehr gut an die, einen Zentimeter vor mir mit dem Schwert herumstochernden, Wachleute erinnern. Realistisch? Nö, nicht wirklich. Aber spaßig wie nur sonst was. Deus Ex: Human Revolution ist ein feiner Schleicher.
Unterstützt wird dieser Fakt durch ein sehr vorzeigbares Leveldesign (der Picus-Level!), das alternative Wege bereithält und für jeden Spielertypen eigene Zugänge offeriert, wie man es von einem guten Deus Ex – Titel erwarten darf. Schleichen oder Konfrontation oder eine Mischung aus beidem – bis auf die Bosskämpfe habe ich immer die Wahl. Ich kann mich mit der entsprechenden Augmentierung durch Wände kloppen und damit neue Levelwege erschließen. Tief fallen und hoch springen. Hacken ist immer eine sinnvolle Option und wird hier in einem Minispiel präsentiert, das nie langweilig wird und für mich hinter den Cyberspace-Hacks von System Shock 1 die bisher zweitbeste Umsetzung erfährt, die ich in reichlich zwanzig Jahren Videospielerei kennen lernen durfte. Glückwunsch an Eidos dafür. Und dann ist da natürlich noch der Sozialoptimierer, mit dem ich auf voller Ausbaustufe an entscheidenden Stellen des Spiels Rededuelle mit zentralen NPC´s ausfechten kann, was wirklich jedes Mal eine ungeheuer mitreißende Sache ist. Eine ausgezeichnete Neuerung und eine echte Bereicherung der Serie.
Eidos machen damit beim Gameplay für mich sehr, sehr viel richtig. Ich spiele einen augmentierten Übermenschen. Und die Welt ist mein Spielplatz. Die Stunden verflogen für mich wie im Flug. Spaß, Spaß, Spaß. Ein Kritikpunkt bleibt aber leider mal wieder stehen: auch hier folgt man dem Trend, den Spielern nichts vorenthalten zu wollen, der schon Bioshock befallen hatte. Es gibt auch hier selbst auf Schwer noch zu viele Erfahrungspunkte. Meine Figur muss sich zu wenig spezialisieren und wird zum Beinahe-Allrounder. Kein Vergleich zum ersten Deus Ex oder gar zu System Shock 2, wo ich wirklich noch vor schwierigen Entscheidungen beim Charakterausbau stand, deren Konsequenzen sich durch das ganze Spiel zogen.
Kommen wir zur Geschichte. Dazu ist zunächst zu sagen, dass Eidos auf die enorm kreative Idee verfiel, die Geschichte davor zu erzählen. Gähn, dachte ich mir im Vorfeld. Ein weiteres Prequel. In zwanzig Jahren wird man auf diese Epoche blicken – und was wird man sehen? Junge Menschen mit dem wohl fragwürdigsten Modegeschmack der popkulturellen Geschichte, wie sie sich neu aufgelegten Verhunzungen von Klassikern der Film-, Musik- und Videospielgeschichte aussetzen. Das Vintage-Zeitalter. Zum Kotzen! Hoffentlich bin ich nicht mehr am Leben, wenn die 2010er Jahre ihr Revival erfahren. Oder wenigstens senil.
Dann habe ich Deus Ex: Invisible War gespielt. Danach war ich froh, nicht mehr in diese deprimierende Welt zurück zu müssen. Spector hat 2003 die Serie äußerst grimmig enden lassen. Darauf nun aufzubauen, hieße, diesem Ende seine düstere Wucht zu nehmen. Kann man machen. Oder man lässt es so stehen und geht zeitlich weiter nach vorn. Ich kann Eidos´ Entscheidung also in diesem Fall nachvollziehen und heiße sie wenn ich ehrlich bin sogar gut.
Deus Ex: Human Revolution spielt im Jahr 2027 und damit 25 Jahre vor den Ereignissen von Deus Ex. Wir sind damit in der gar nicht so fernen Zukunft. Und wie es Eidos in seinem Titel gelingt, eine Version der Zukunft zu entwickeln, die aus heutiger Sicht einerseits nicht komplett fantastisch wirkt und die sich andererseits aber mit vielen Andeutungen und Brücken in den Kanon der Reihe einfügt und elegant auf die Geschehnisse von Deus Ex vorausweißt – das ist reifes Erzählen von allererster Güte und sucht in der Videospielgeschichte seines Gleichen. Hier ist sagenhaft viel Mühe aufgewandt worden, hier haben wirklich fähige Leute geschrieben – und man merkt das an allen Ecken und Enden. Die Welt des Spiels ist durch und durch politisch. Noch in den kleinsten Gesprächen zwischen NPC´s, in Nachrichtenschnipseln und Zeitungsartikeln wird auf politische Diskurse Bezug genommen. Die Autoren nehmen zeitgenössische Themen unserer realen Welt auf und spinnen sie im Spiel weiter. Präimplantationsdiagnostik, Organspende, Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen, Behindertenrechte – dieses Spiel ist ein Spiegelbild unserer gegenwärtigen gesundheitspolitischen Diskurse und macht sie zu einer Metapher, einem Schlachtfeld. Oben drauf gibt es noch Klimawandel und Geoforming, moderne Arbeitssklaverei (wie wir sie aus den Reportagen zu China in den letzten Wochen kennen), Wirtschaftsspionage und Produktpiraterie. Und nigerianische Spams. Und rechte Verschwörungsprediger im Radio. Und und und.
Klingt alles auch ganz schön düster? Ist es auch. Interessant ist aber, dass die Spielwelt mit ihrer weitestgehend cleanen Ästhetik etwas ganz anderes suggeriert. Sie dokumentiert Fortschrittsglauben, Zuversicht, Technikvertrauen. Renaissance eben. Adam Jensens Welt ist noch nicht die Welt von J.C. Denton. Wir spielen den gut bezahlten Sicherheitsmann eines Privatunternehmens, dessen Lebenswelt sich weit oberhalb der einfachen Leute draußen auf den Straßen abspielt. Im Lauf des Spiels sind wir gezwungen, uns hinunter zu ihnen zu begeben. Und dabei wird die schöne Kulisse immer brüchiger. Um am Ende den Blick auf die düstere Cyberpunk-Zukunft frei zu geben. Wahnsinnig gut! Enormes Niveau!
Der eigentliche Plot kann dem nicht ganz das Wasser reichen. Immer noch deutlich über Durchschnitt. Aber doch um einige Doppel- und Abgründigkeiten ärmer als das originale Deus Ex. Wir wechseln nicht wirklich die Seiten. Die Verschwörung bleibt in ihren Motiven weniger abgründig. Das macht sie zwar nachvollziehbarer und damit im Grunde relevanter. Aber eben auch etwas absehbarer. Wenn Deus Ex auf der Cyberpunk-Unheilskala dunkelblau ist und Deus Ex: Invisible War nachtschwarz – dann ist Human Revolution eher veilchenblau. Wir befinden uns hier in einer Ouvertüre. Das dunkle Motiv ist bereits kurz angeklungen. Aber zur vollen Entfaltung kommt es erst in den späteren Akten. Das mag man kritisieren, wenn man den dritten Teil für sich nimmt. Als Prequel in einer Reihe ist es aber folgerichtig und Eidos verdient für die noch etwas angezogene Story-Handbremse eigentlich Lob statt Kritik.
Soweit mein dreigeteiltes Lob. Und was kritisiere ich nun? Nicht die Bosskämpfe, falls das jemand erwartet haben sollte. Nicht schön (womit ich nicht ihre Optik meine) und zumindest in seiner ersten Variante auch etwas unbalanciert. Aber für mich keine größeren Spaßbremsen als jeder andere Bosskampf in jedem anderen Titel außerhalb von Psychonauts, Painkiller und den Thief-Spielen. Auch der Kampf gegen Walter Simons im ursprünglichen Deus Ex war spielerisch uninteressant und lästig. Man sollte dieses Relikt im FPS endlich mal rückstandsfrei entsorgen. Das hat sich schlicht und einfach überlebt.
Bedauert habe ich, dass es im Vergleich zu Deus Ex ein bisschen wenige Stampfmechs gab. Ist zwar aus dem technischen Entwicklungsstand der Welt heraus verständlich und auch vom Szenario her meist nachvollziehbar. Aber ich will trotzdem mehr Stampfmechs!
Und ein Freund von vollautomatisierten Knopfdruck-Takedowns werde ich in diesem Leben nicht mehr werden. Ermüdend, sich die immer und immer wieder ansehen zu müssen. Selbst wenn ihr von der Engine nach Zufallsprinzip Varianten auswürfeln lasst. Ich will das selber machen, Eidos verdammich! Aber so sind die Zeiten und den jungen Leuten wie den Aktionären scheint es zu gefallen und ich beuge mich widerwillig. Immerhin darf ich zum Ausgleich überall speichern wo ich möchte. Dafür verzeihe ich eine Menge. Man ist ja mit den Jahren bescheiden geworden. Und auch ein bisschen verzweifelt, weswegen jeder Strohhalm dankbar ergriffen wird.
Ach – und die Erweiterung "The missing link" hätte natürlich von vornherein ins Spiel gehört. Ich meine, sie lassen im Hauptspiel eine Storylücke, um diese hinterher zum Extrapreis nachzufüllen. Das ist natürlich geplant passiert und ich heiße das nicht gut.
Meine Hauptkritik an Deus Ex: Human Revolution ist jedoch, dass ich in ihm zu viele Deja-vus hatte. Ich muss das erklären. In Deus Ex gibt es die Stelle unmittelbar nach dem Bosskampf mit Gunther Hermann. Walter Simons meldet sich und sagt J.C., dies wäre der Letzte der Mechs gewesen. Im dritten Teil sind wir nun einer dieser Mechs, und sogar ein besonderer, was ja bereits die Adams-Metapher andeutet. Wir erleben aber eine Geschichte, die so derart viele Parallelen zum Plotverlauf des Abenteuers von J.C. aufweist, dass ich mich immer wieder gefragt habe, ob ich hier eigentlich noch ein Reboot oder schon ein Remake spiele. Natürlich hat es mich als Fan der ersten Stunde gefreut, all die kleinen Anspielungen und Easter Eggs zu entdecken, die auf den Erstling aus dem Jahr 2000 hinweisen. Aber spätestens an dem Punkt, als ich das Materiallager neben dem Helipad bei Sarif Industries fand und ich sofort an das andere Lager denken musste, dass sich an vergleichbarer Stelle beim UNATCO-Quartier in Teil 1 befand, wurde die Fassade für mich brüchig und mich beschlich immer mehr das Gefühl: die haben die Grundstruktur von Deus Ex geklont! Die haben sich quasi den Bauplan des Ursprungsspiels genommen – und auf diesen haben sie mitunter deckungsgleich ihre Handlungsorte und ihr Storygerüst nebst Figurenkonstellationen drauf gesetzt. Dieses Spiel schwankt zwischen Zitat und Kopie hin und her.
Ich habe mich lange gefragt, warum Eidos das bei all der hier von mir so überschwänglich gelobten Kreativität und handwerklichen Begabung getan hat. Meine Vermutung ist: die Fans sind Schuld. Leute wie ich. Die hatten Schiss vor uns. Die Episode mit dem Highlighting und dem Einschwenken des Studios auf den Shitstorm zeigt das. Ich bin wie die CDU-Basis. Wegen mir dürfen Schwule in diesem Land nicht die Ehe schließen. Ich bin der Feind, gegen den ich die ganze Zeit gewettert habe. Die Kreativen haben Angst vor Leuten wie mir. Gnade mir und uns allen Gott, wenn sie sich bei Thief für diesen Terror rächen wollen. Verdient hätten wir es. Meine Hauptkritik an Deus Ex: Human Revolution geht damit also an mich selbst. Weil ich, stellvertretend für viele viele andere, nicht losgelassen habe. Und dem Spiel damit Entwicklungsmöglichkeiten genommen habe.
Ich habe das Spiel trotzdem zweimal mit größtem Vergnügen absolviert. Ich mag es. Es nimmt in meinem Regal einen würdigen Platz ein. Und für eine neue Generation von Spielern ist es eine hervorragende Möglichkeit, in diese Franchise einzusteigen. Mit einem Vertreter, der hinter seinem wie ein Alb auf ihm lastenden Vorbild nur in wenigen Feldern zurückstehen muss und es in anderen dafür übertrumpft. Nach elf Jahren haben wir den Status quo wieder eingestellt. Mehr war vorerst nicht drin. Macht bitte weiter, Eidos-Leute! Ihr habt Euch ausreichend bewiesen. Deus Ex gehört nicht mehr Warren Spector und uns alten Säcken allein. Ignoriert uns. Macht Euer Ding. Nur so kommen wir alle weiter. Und nochmal danke.
"Its not the end of the world (But I can see it from here)."
Lostprophets
Ich weiß wirklich nicht, ob es für eine Review eine kluge Strategie darstellt, mit dezidiertem Lob zu beginnen. Ich tue es in diesem Fall trotzdem einmal und hoffe, dass ich damit bis zum Ende des Textes durchkomme. Ich halte Deus Ex: Human Revolution für ein ganz ausgesprochen gutes und in vielen Aspekten vorbildliches Spiel. Mein erster Durchlauf dauerte ungefähr eine Woche. An ihrem Ende rieb ich mir ungläubig die Augen und begann die Reise noch einmal – nur um an ihrem Ende erneut begeistert zu sein. Was Eidos mit dieser Neugeburt einer fast eine Dekade schlummernden Franchise im Jahr 2011 vorgelegt hat, ist angesichts des auch von mir immer wieder beklagten Zustandes der Industrie im AAA-Bereich nichts Geringeres als ein kleines Wunder und treibt mir noch immer Tränen der Freude und Dankbarkeit in die Augen. Dabei möchte ich hier einen Punkt stark machen, der bei allen Unterschieden in der Gameplayauslegung sowie der Levelarchitektur eine Verwandtschaft dieses Titels mit dem für mich anderen großen Spiel des Jahres 2011 offenbart (ohne dabei Bastion, mit dem ich in den vergangenen Wochen sehr viel Spaß hatte, seine Großartigkeit abzusprechen): The Witcher: Assassins of Kings.
Diese beiden Spiele verbindet ihre Reife. Ihre erwachsen wirkende Souveränität. Die Ernsthaftigkeit, mit der sich ihre Macher mit der Genese des jeweiligen Genres und dessen Klassikern auseinandergesetzt haben. Kennerschaft. Die Fähigkeit, ein Konzept zu Ende zu denken und es diszipliniert umzusetzen. Ich habe oft über die Tendenz in diesem Unterhaltungsgenre geschimpft, so zu tun, als wäre es geschichtslos. Über die Ignoranz seiner Evolution gegenüber. Über die Missachtung des Kanons. Nicht, weil ich diesen Kanon an sich für unantastbar und nicht kritisierbar halte. Sondern weil nur mit seiner bewussten Weiterentwicklung eine wirkliche Verbesserung und Evolution stattfinden kann. Ansonsten sind wir auf ewig dazu verdammt, wie die Kleinkinder jeden Tag aufs Neue unser wackeliges Bauklotz-Türmchen zu errichten.
Deus Ex: Human Revolution vereint in sich Aspekte von Spielen, die ich bis heute für wegweisend halte und sozusagen nahe bei meinem Herzen trage. Das originale Deus Ex. Thief 2. System Shock 2. Die Menschen, die dieses Spiel entwickelt haben, sind ganz offensichtlich fundierte Kenner dieser drei auf vielen Ebenen miteinander verbundenen Meilensteine. Ich habe während des Spielens immer wieder Anmutungs-Flashbacks gehabt. Das Inventar, das sich wohltuend an System Shock 2 orientiert, sowie das eindeutig von Braun – inspirierte Schlusslevel in der Antarktis. Die auf schleichendes Erkunden ausgelegten Maps, in denen man mit der KI Verstecken spielen kann. Die Notwendigkeit, mit der Munition zu haushalten. Die erzählerische Tiefe und philosophische Durchdachtheit der Spielwelt. Ich werde mein Lob im Folgenden in drei Absätzen gliedern, die immer auch ein wenig Kritik mit enthalten werden. Meinen Hauptkritikpunkt hebe ich mir für das Ende und einen eigenen Absatz auf.
Ich bin sonst ja nicht der Typ Spieler, dem die optische Anmutung eines Titels für dessen positive Einschätzung extrem zentral ist. Aber ich muss es in diesem Fall sagen: das Artdesign von Deus Ex: Human Revolution gehört für mich zum absolut Besten, was ich in meiner Spielerkarriere bisher erleben konnte. Wie das, mag man fragen? Die visuellen Effekte sind doch lediglich guter Durchschnitt. Die Städtehubs könnten noch viel lebendiger sein. Beispielsweise fuhr durch die frühen Ingamevideos von Detroit noch eine Magnetschwebebahn. Wo ist die abgeblieben? Außerdem gibt es im Grunde überhaupt keine Objektphysik, was die Interaktivität der Level stark beeinträchtigt und für einen AAA-Titel der 2010er Jahre eigentlich zum Pflichtprogramm gehören sollte.
Alles richtig. Ist mir aber egal. Denn ich bekomme die Atmosphäre nicht mehr aus dem Kopf, die sich beim Betreten von Jensens Apartment einstellt, wenn das Licht durch die sich automatisch öffnenden Jalousien fällt. Ich denke an Sarifs Büro. An die Suite von Zhao Yun Ru. An die Deckengestaltung in den Limb-Kliniken und im Versteck von Tong. Ich sehe die Fahrt mit dem Lift in die zweite Ebene von Heng Sha vor mir und wie sich mein Blick zum ersten Mal über die ins Sonnenlicht getauchte künstliche Parklandschaft der Upper Class erstreckt. Dazu im Kontrast die Schlafbuchten der Arbeiter in Lower Heng Sha. Der zentrale Rechnerraum von Tai-Yong-Medical. Der Raum der KI im Bunker von Picus. Panchaea, das riesenhafte Loch im Ozean. Megans weißes Zimmer. Der herzförmige Durchgang, der sich nach dem finalen Bosskampf zum „Raum der Entscheidungen“ öffnet.
Ich denke an die eigens für die Zeit dieses Spiels entworfene, an die Renaissance angelehnte Mode und Innenarchitektur. Ich denke an die Körperaugmentierungen der unterschiedlichen NPC´s von dezent bis martialisch.
Und ich denke an die Sepia-Töne, die das gesamte Spiel dominieren und in eine geheimnisvolle, etwas unwirkliche Stimmung tauchen. Ich war im Vorfeld ein erbitterter Feind des gelben Highlightings (sie haben meinen Protest sogar im Rahmen der an Eidos gerichteten Spieler-Petition neben anderen wörtlich zitiert) und ich habe gejubelt, als die Entwickler ein Einsehen hatten und es optional machten. Ich habe es in meinem ersten Spieldurchlauf nicht deaktiviert. Das gelbe Leuchten war so ein schöner, stimmiger Farbkontrast zum Sepia.
Deus Ex: Human Revolution strahlt eine edle, zeitlose Gediegenheit aus. Wie ein Messinglampenschirm der Belle epoque. Dieses Spiel ist schön. Es schmeichelt dem Auge. Und alle seine Schlüsselszenarien sind gleichzeitig Metaphern für verschiedene politische und (gesellschafts)philosophische Konzepte. Deswegen ist seine Schönheit noch dazu klug. Optik mit Hirn. Vorbildlich.
Jeder Teil der Reihe setzt beim Gameplay einen eigenen Schwerpunkt und definiert für sich eine eigene Auslegung des Spiels. Teil 1 ist bis heute meiner Meinung nach der beste RPG-FPS Hybrid der Videospielgeschichte. Wenn ich ihm eine Waffe zuordnen müsste, wäre es das voll ausgebaute Präzisionsgewehr. Teil 2 erhöhte die Kampfbetonung und ging einen größeren Schritt in Richtung Action-Adventure. Ich verbinde mit ihm vor allem die Betäubungspistole und die Schwarzmarktmod mit der völlig unbalancierten weil überpowerten steuerbaren Sprengdrohne.
Teil 3 nun ist ein Schleicher. Mich hat das überrascht, ich hatte mit so etwas nicht gerechnet. Vor allem nicht damit, dass es der Schleicher werden sollte, der mir seit Thief 2 den meisten Spaß bereiten würde. Klar, man kann Deus Ex: Human Revolution auch als brachialer Fernkämpfer und vor allem als nicht weniger brachialer Nahkämpfer absolvieren. Ausfahrbare Wolverine-Klingen, Sprungattacken aus großer Höhe, die Taifun-Waffe. Das alles versehen mit automatischer Außenkamera, damit die heutige Videospieljugend auch was zum Gucken hat. Hat mich alles nicht sonderlich interessiert. Ich habe lieber meine Stealthpistole aufs Maximum aufgebohrt, sodass ich einzig und allein mit ihrer Hilfe aus der Deckung heraus Faridahs Heli bei unserer Rückkehr nach Heng Sha vor den Belltower-Truppen verteidigen konnte. Ach, Faridah … Sicher, das Spiel drängt einen auch mit der limitierten Munition, dem begrenzten Inventar und nicht zuletzt der Belohnung in Form von etwas mehr XP sanft dazu, den Stealth-Zugang zu wählen. Aber ich habe das nicht als Nötigung empfunden. Denn ich schleiche und verstecke mich sehr gern. Hach, die Freude, sich aus dem Versteck zu lösen und den ahnungslosen Wachmann ins Reich der Träume zu schicken (hier verbunden mit ordentlich viel Knochen brechen und Fresse polieren – nur leider automatisiert auf Knopdruck). Klar ist die KI nicht auf dem Niveau der Wachleute in Thief und manchmal wird die Nummer ein bisschen arg einfach, weil die Laufwege zu leicht ausrechenbar sind. Andererseits war eine gewisse Übermächtigkeit der Spielfigur noch in jedem Teil von Deus Ex gegeben – nur eben auf anderen Feldern als hier. Es macht mir einfach einen Heidenspaß von Deckung zu Deckung zu rollen und in den gut entworfenen Innenlevels Winkel zu suchen, in denen ich einen Wachmann nach dem anderen leise aus dem Spiel nehmen kann. Mich beinahe wie Garrett damals durch Büros und Apartments zu räubern. Außer natürlich Maliks Büro. Faridah beklaue ich nicht. Ach, Faridah … Die Steuerung dafür geht angenehm flüssig von der Hand, der Wechsel aus der Ego-Perspektive in die Third-Person, wenn ich die Option dazu nutzen möchte, funktioniert reibungslos und fließend. Und wer jetzt mit dem Argument kommen möchte, dass das Deckungssystem mit der externen Kamera zu leicht ist und beinahe wie ein Cheat funktioniert, weil einen die KI, so sie von unserer Anwesenheit nichts weiß und also nicht im Suchmodus ist, in der Deckung grundsätzlich nicht sehen kann – dem antworte ich frech, dass das beim guten alten Garrett mit dem Schatten genauso war. Ich kann mich noch sehr gut an die, einen Zentimeter vor mir mit dem Schwert herumstochernden, Wachleute erinnern. Realistisch? Nö, nicht wirklich. Aber spaßig wie nur sonst was. Deus Ex: Human Revolution ist ein feiner Schleicher.
Unterstützt wird dieser Fakt durch ein sehr vorzeigbares Leveldesign (der Picus-Level!), das alternative Wege bereithält und für jeden Spielertypen eigene Zugänge offeriert, wie man es von einem guten Deus Ex – Titel erwarten darf. Schleichen oder Konfrontation oder eine Mischung aus beidem – bis auf die Bosskämpfe habe ich immer die Wahl. Ich kann mich mit der entsprechenden Augmentierung durch Wände kloppen und damit neue Levelwege erschließen. Tief fallen und hoch springen. Hacken ist immer eine sinnvolle Option und wird hier in einem Minispiel präsentiert, das nie langweilig wird und für mich hinter den Cyberspace-Hacks von System Shock 1 die bisher zweitbeste Umsetzung erfährt, die ich in reichlich zwanzig Jahren Videospielerei kennen lernen durfte. Glückwunsch an Eidos dafür. Und dann ist da natürlich noch der Sozialoptimierer, mit dem ich auf voller Ausbaustufe an entscheidenden Stellen des Spiels Rededuelle mit zentralen NPC´s ausfechten kann, was wirklich jedes Mal eine ungeheuer mitreißende Sache ist. Eine ausgezeichnete Neuerung und eine echte Bereicherung der Serie.
Eidos machen damit beim Gameplay für mich sehr, sehr viel richtig. Ich spiele einen augmentierten Übermenschen. Und die Welt ist mein Spielplatz. Die Stunden verflogen für mich wie im Flug. Spaß, Spaß, Spaß. Ein Kritikpunkt bleibt aber leider mal wieder stehen: auch hier folgt man dem Trend, den Spielern nichts vorenthalten zu wollen, der schon Bioshock befallen hatte. Es gibt auch hier selbst auf Schwer noch zu viele Erfahrungspunkte. Meine Figur muss sich zu wenig spezialisieren und wird zum Beinahe-Allrounder. Kein Vergleich zum ersten Deus Ex oder gar zu System Shock 2, wo ich wirklich noch vor schwierigen Entscheidungen beim Charakterausbau stand, deren Konsequenzen sich durch das ganze Spiel zogen.
Kommen wir zur Geschichte. Dazu ist zunächst zu sagen, dass Eidos auf die enorm kreative Idee verfiel, die Geschichte davor zu erzählen. Gähn, dachte ich mir im Vorfeld. Ein weiteres Prequel. In zwanzig Jahren wird man auf diese Epoche blicken – und was wird man sehen? Junge Menschen mit dem wohl fragwürdigsten Modegeschmack der popkulturellen Geschichte, wie sie sich neu aufgelegten Verhunzungen von Klassikern der Film-, Musik- und Videospielgeschichte aussetzen. Das Vintage-Zeitalter. Zum Kotzen! Hoffentlich bin ich nicht mehr am Leben, wenn die 2010er Jahre ihr Revival erfahren. Oder wenigstens senil.
Dann habe ich Deus Ex: Invisible War gespielt. Danach war ich froh, nicht mehr in diese deprimierende Welt zurück zu müssen. Spector hat 2003 die Serie äußerst grimmig enden lassen. Darauf nun aufzubauen, hieße, diesem Ende seine düstere Wucht zu nehmen. Kann man machen. Oder man lässt es so stehen und geht zeitlich weiter nach vorn. Ich kann Eidos´ Entscheidung also in diesem Fall nachvollziehen und heiße sie wenn ich ehrlich bin sogar gut.
Deus Ex: Human Revolution spielt im Jahr 2027 und damit 25 Jahre vor den Ereignissen von Deus Ex. Wir sind damit in der gar nicht so fernen Zukunft. Und wie es Eidos in seinem Titel gelingt, eine Version der Zukunft zu entwickeln, die aus heutiger Sicht einerseits nicht komplett fantastisch wirkt und die sich andererseits aber mit vielen Andeutungen und Brücken in den Kanon der Reihe einfügt und elegant auf die Geschehnisse von Deus Ex vorausweißt – das ist reifes Erzählen von allererster Güte und sucht in der Videospielgeschichte seines Gleichen. Hier ist sagenhaft viel Mühe aufgewandt worden, hier haben wirklich fähige Leute geschrieben – und man merkt das an allen Ecken und Enden. Die Welt des Spiels ist durch und durch politisch. Noch in den kleinsten Gesprächen zwischen NPC´s, in Nachrichtenschnipseln und Zeitungsartikeln wird auf politische Diskurse Bezug genommen. Die Autoren nehmen zeitgenössische Themen unserer realen Welt auf und spinnen sie im Spiel weiter. Präimplantationsdiagnostik, Organspende, Verteilungsgerechtigkeit im Gesundheitswesen, Behindertenrechte – dieses Spiel ist ein Spiegelbild unserer gegenwärtigen gesundheitspolitischen Diskurse und macht sie zu einer Metapher, einem Schlachtfeld. Oben drauf gibt es noch Klimawandel und Geoforming, moderne Arbeitssklaverei (wie wir sie aus den Reportagen zu China in den letzten Wochen kennen), Wirtschaftsspionage und Produktpiraterie. Und nigerianische Spams. Und rechte Verschwörungsprediger im Radio. Und und und.
Klingt alles auch ganz schön düster? Ist es auch. Interessant ist aber, dass die Spielwelt mit ihrer weitestgehend cleanen Ästhetik etwas ganz anderes suggeriert. Sie dokumentiert Fortschrittsglauben, Zuversicht, Technikvertrauen. Renaissance eben. Adam Jensens Welt ist noch nicht die Welt von J.C. Denton. Wir spielen den gut bezahlten Sicherheitsmann eines Privatunternehmens, dessen Lebenswelt sich weit oberhalb der einfachen Leute draußen auf den Straßen abspielt. Im Lauf des Spiels sind wir gezwungen, uns hinunter zu ihnen zu begeben. Und dabei wird die schöne Kulisse immer brüchiger. Um am Ende den Blick auf die düstere Cyberpunk-Zukunft frei zu geben. Wahnsinnig gut! Enormes Niveau!
Der eigentliche Plot kann dem nicht ganz das Wasser reichen. Immer noch deutlich über Durchschnitt. Aber doch um einige Doppel- und Abgründigkeiten ärmer als das originale Deus Ex. Wir wechseln nicht wirklich die Seiten. Die Verschwörung bleibt in ihren Motiven weniger abgründig. Das macht sie zwar nachvollziehbarer und damit im Grunde relevanter. Aber eben auch etwas absehbarer. Wenn Deus Ex auf der Cyberpunk-Unheilskala dunkelblau ist und Deus Ex: Invisible War nachtschwarz – dann ist Human Revolution eher veilchenblau. Wir befinden uns hier in einer Ouvertüre. Das dunkle Motiv ist bereits kurz angeklungen. Aber zur vollen Entfaltung kommt es erst in den späteren Akten. Das mag man kritisieren, wenn man den dritten Teil für sich nimmt. Als Prequel in einer Reihe ist es aber folgerichtig und Eidos verdient für die noch etwas angezogene Story-Handbremse eigentlich Lob statt Kritik.
Soweit mein dreigeteiltes Lob. Und was kritisiere ich nun? Nicht die Bosskämpfe, falls das jemand erwartet haben sollte. Nicht schön (womit ich nicht ihre Optik meine) und zumindest in seiner ersten Variante auch etwas unbalanciert. Aber für mich keine größeren Spaßbremsen als jeder andere Bosskampf in jedem anderen Titel außerhalb von Psychonauts, Painkiller und den Thief-Spielen. Auch der Kampf gegen Walter Simons im ursprünglichen Deus Ex war spielerisch uninteressant und lästig. Man sollte dieses Relikt im FPS endlich mal rückstandsfrei entsorgen. Das hat sich schlicht und einfach überlebt.
Bedauert habe ich, dass es im Vergleich zu Deus Ex ein bisschen wenige Stampfmechs gab. Ist zwar aus dem technischen Entwicklungsstand der Welt heraus verständlich und auch vom Szenario her meist nachvollziehbar. Aber ich will trotzdem mehr Stampfmechs!
Und ein Freund von vollautomatisierten Knopfdruck-Takedowns werde ich in diesem Leben nicht mehr werden. Ermüdend, sich die immer und immer wieder ansehen zu müssen. Selbst wenn ihr von der Engine nach Zufallsprinzip Varianten auswürfeln lasst. Ich will das selber machen, Eidos verdammich! Aber so sind die Zeiten und den jungen Leuten wie den Aktionären scheint es zu gefallen und ich beuge mich widerwillig. Immerhin darf ich zum Ausgleich überall speichern wo ich möchte. Dafür verzeihe ich eine Menge. Man ist ja mit den Jahren bescheiden geworden. Und auch ein bisschen verzweifelt, weswegen jeder Strohhalm dankbar ergriffen wird.
Ach – und die Erweiterung "The missing link" hätte natürlich von vornherein ins Spiel gehört. Ich meine, sie lassen im Hauptspiel eine Storylücke, um diese hinterher zum Extrapreis nachzufüllen. Das ist natürlich geplant passiert und ich heiße das nicht gut.
Meine Hauptkritik an Deus Ex: Human Revolution ist jedoch, dass ich in ihm zu viele Deja-vus hatte. Ich muss das erklären. In Deus Ex gibt es die Stelle unmittelbar nach dem Bosskampf mit Gunther Hermann. Walter Simons meldet sich und sagt J.C., dies wäre der Letzte der Mechs gewesen. Im dritten Teil sind wir nun einer dieser Mechs, und sogar ein besonderer, was ja bereits die Adams-Metapher andeutet. Wir erleben aber eine Geschichte, die so derart viele Parallelen zum Plotverlauf des Abenteuers von J.C. aufweist, dass ich mich immer wieder gefragt habe, ob ich hier eigentlich noch ein Reboot oder schon ein Remake spiele. Natürlich hat es mich als Fan der ersten Stunde gefreut, all die kleinen Anspielungen und Easter Eggs zu entdecken, die auf den Erstling aus dem Jahr 2000 hinweisen. Aber spätestens an dem Punkt, als ich das Materiallager neben dem Helipad bei Sarif Industries fand und ich sofort an das andere Lager denken musste, dass sich an vergleichbarer Stelle beim UNATCO-Quartier in Teil 1 befand, wurde die Fassade für mich brüchig und mich beschlich immer mehr das Gefühl: die haben die Grundstruktur von Deus Ex geklont! Die haben sich quasi den Bauplan des Ursprungsspiels genommen – und auf diesen haben sie mitunter deckungsgleich ihre Handlungsorte und ihr Storygerüst nebst Figurenkonstellationen drauf gesetzt. Dieses Spiel schwankt zwischen Zitat und Kopie hin und her.
Ich habe mich lange gefragt, warum Eidos das bei all der hier von mir so überschwänglich gelobten Kreativität und handwerklichen Begabung getan hat. Meine Vermutung ist: die Fans sind Schuld. Leute wie ich. Die hatten Schiss vor uns. Die Episode mit dem Highlighting und dem Einschwenken des Studios auf den Shitstorm zeigt das. Ich bin wie die CDU-Basis. Wegen mir dürfen Schwule in diesem Land nicht die Ehe schließen. Ich bin der Feind, gegen den ich die ganze Zeit gewettert habe. Die Kreativen haben Angst vor Leuten wie mir. Gnade mir und uns allen Gott, wenn sie sich bei Thief für diesen Terror rächen wollen. Verdient hätten wir es. Meine Hauptkritik an Deus Ex: Human Revolution geht damit also an mich selbst. Weil ich, stellvertretend für viele viele andere, nicht losgelassen habe. Und dem Spiel damit Entwicklungsmöglichkeiten genommen habe.
Ich habe das Spiel trotzdem zweimal mit größtem Vergnügen absolviert. Ich mag es. Es nimmt in meinem Regal einen würdigen Platz ein. Und für eine neue Generation von Spielern ist es eine hervorragende Möglichkeit, in diese Franchise einzusteigen. Mit einem Vertreter, der hinter seinem wie ein Alb auf ihm lastenden Vorbild nur in wenigen Feldern zurückstehen muss und es in anderen dafür übertrumpft. Nach elf Jahren haben wir den Status quo wieder eingestellt. Mehr war vorerst nicht drin. Macht bitte weiter, Eidos-Leute! Ihr habt Euch ausreichend bewiesen. Deus Ex gehört nicht mehr Warren Spector und uns alten Säcken allein. Ignoriert uns. Macht Euer Ding. Nur so kommen wir alle weiter. Und nochmal danke.
Kószdy kozow swoju brodu chwali.
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- Almalexian
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Ach Archer, wenn ich nicht gerade ein LP des Erstlings machen würde, müsste ich den dritten Teil gleich wieder auspacken und nochmal spielen. Super Text
Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Endlich...kann Almalexian nur zustimmen (nur das ich gerade nicht DE zock...sondern mich durch meinen Pile of Shame wühl). Achja und den Punkt des Artdesigns hast du perfekt zusammen gefasst, ich denk an keines der letzten Jahre so sehnsüchtig zurück wie bei DE:HR.
- oppenheimer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Mein vielleicht größter Kritikpunkt an HR sind die Überredungssequenzen. Diese sind zwar durchaus packend inszeniert, aber manchmal doch arg unglaubwürdig.
Dass man einen Mann wie Hugh Darrow in einem zweiminütigen Schwätzchen von seinen seit Ewigkeiten gehegten Überzeugungen abbringen kann, finde ich doch reichlich seltsam.
Ansonsten gefiel mir aber vor allem das Schleichen ziemlich gut, auch wenn die "besten" Routen (wie so oft) durch Lüftungsschächte führten. Besonders fies ist, dass die Wachen sich auf ihren Patrouilliengängen auch schon mal unangekündigt umdrehen. Könnte man ja ins nächste Thief einbauen.
Dass man einen Mann wie Hugh Darrow in einem zweiminütigen Schwätzchen von seinen seit Ewigkeiten gehegten Überzeugungen abbringen kann, finde ich doch reichlich seltsam.
Ansonsten gefiel mir aber vor allem das Schleichen ziemlich gut, auch wenn die "besten" Routen (wie so oft) durch Lüftungsschächte führten. Besonders fies ist, dass die Wachen sich auf ihren Patrouilliengängen auch schon mal unangekündigt umdrehen. Könnte man ja ins nächste Thief einbauen.
Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Ich denke davon kann man ausgehen. Da es sich um das gleiche Studio handelt, werden sie sicherlich hier und da auf die technische Vorarbeit von 2011 zurückgreifen. Natürlich sollte sich die KI für Thief noch deutlich steigern - aber das Umdrehen darf sie gerne beibehalten. Das fand ich nämlich auch ziemlich gut.oppenheimer hat geschrieben: Besonders fies ist, dass die Wachen sich auf ihren Patrouilliengängen auch schon mal unangekündigt umdrehen. Könnte man ja ins nächste Thief einbauen.
Und hinsichtlich Deiner Kritik an dem Überredungssystem: kann ich akzeptieren, da tickt jeder sicherlich verschieden. Ist ja schon recht "gamy". Ich möchte allerdings zu bedenken geben, was mit einem hohen Überredungsskill mit den Endbossen von Fallout und Arcanum alles möglich war. In deutlich weniger als zwei Minuten.
Kószdy kozow swoju brodu chwali.
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Nicht zu vergessen, dass unser guter Jensen, Augmentierung sei dank, besser als jedes Gänseblümchen duftet...hmmmm...Gänseblümchen.
*kein Anspruch auf Vollständigkeit
Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Im Übrigen: eine Etage unter mir. Kein Witz!
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- oppenheimer
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Wohnung Nr. 0451.
Ist zwar fast so ausgelutscht wie Monty Python-Witze, aber es muss jetzt einfach sein:
http://www.youtube.com/watch?v=Vxi7JRJrod4
Ist zwar fast so ausgelutscht wie Monty Python-Witze, aber es muss jetzt einfach sein:
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Liebe Leute,
die drei Deus Ex - Texte sind nun auf meiner Homepage in leicht überarbeiteter Form aufbewahrt. Guckt Ihr bei nochmaligem Interesse hier:
http://brotlos.weebly.com/deus-ex.html
Hier im Thread geht es nach all dem Lob der letzten Monate wieder allmählich zurück in osteuropäische Shooter-Gefilde. In den nächsten Tagen hier dazu dann mehr.
die drei Deus Ex - Texte sind nun auf meiner Homepage in leicht überarbeiteter Form aufbewahrt. Guckt Ihr bei nochmaligem Interesse hier:
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Hier im Thread geht es nach all dem Lob der letzten Monate wieder allmählich zurück in osteuropäische Shooter-Gefilde. In den nächsten Tagen hier dazu dann mehr.
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Östlich der Elbe beginnt die asiatische Steppe, meinte der alte Adenauer mal. So gesehen ist Braunschweig locker schon Osteuropa. Ich bin in meinem Leben bisher nur einmal mit dem Zug da vorbeigefahren. Das Umland sah ganz nett aus und die Bahnhofsgegend wirkte angenehm unaufgeräumt. Ansonsten verbindet mich mit Braunschweig nur eine Faszination für seinen Namen – als Heranwachsender habe ich mir immer vorgestellt, dort in der Antifa mitzutun, die natürlich ebenfalls "Braunschweig" geheißen hätte.
Und dann gab es in Braunschweig eben auch mal dieses kleine deutsche Studio namens Nuclearvision, das im Jahr 2004 die Shootergemeinde mit Psychotoxic beglückte. Psychotoxic steht bei mir im jahrgangsweise sortierten Regal neben Nitro Family, Painkiller, Psychonauts und Riddick: Escape from Butcher Bay. Und dieser Nachbarschaft wird es leider nicht mal annähernd gerecht. Ehrlich gesagt ist mir vollkommen schleierhaft, wie dieser Titel hier auf 4players seinerzeit satte 70 Punkte abgreifen konnte. Das riecht für mich ein bisschen nach Lokalpatriotismus.
Ich habe vorhin Psychonauts erwähnt – und es ist interessant, wie ähnlich die Grundidee von Psychotoxic Tim Schafers bittersüßer Feriencamp-Erinnerung ist. Denn auch hier gilt es, in der Gedanken- und Traumwelt von Leuten Probleme aus dem Weg zu räumen, um in der Realwelt weiter zu kommen. Nur eben im Gewand eines Shooters. Auftritt Angie Prophet. Ein spintgewordenes Baupausenraum - Gothgirl mit Hang zu Tangas und hautengen Lederklamotten, das ein bisschen so aussieht wie die große Cousine von Bill Kaulitz – okay, das hatten wir wirklich noch nicht. I´ll give you that one, Nuclearvision. Die Gute hat die Fähigkeit, in den Verstand anderer Leute einzudringen, wo sie sich im Laufe des Abenteuers auf die Suche nach Türcodes, Namen von Informanten usw. macht. Einige dieser Welten sind grafisch wirklich interessant und tatsächlich der einzige Grund, eventuell mal einen Blick hier drauf zu riskieren. Ich fand das Tron-inspirierte Level schick, sowie das Stummfilmlevel mit Mittelalterflair. Sehr irre ist das Comiclevel, das im Kopf eines eben vom Dach eines Hochhauses in den Tod stürzenden Mannes spielt. Und dann gibt es noch den angenehm die Nackenhaare aufstellenden Ausflug in ein Hotel mit unbesiegbarem Axtmörder. Vier Level, die es in ihrer Surrealität mit den besseren Momenten von American McGees Alice aufnehmen können und denen man mit etwas gutem Willen kanonische Qualität zubilligen kann.
Leider gibt es aber noch sechs nicht mehr so atemberaubende Traumlevel. Und 20 unglaublich banale, stinklangweilige Realwelt-Abschnitte in denen eine komplett verblödete, aus maximal sechs schlecht animierten Charaktermodellen bestehende KI ihr trostloses Dasein fristet und die sich hinziehen wie uralter Kaugummi. Selten habe ich mich in einem Shooter so gelangweilt wie hier. Da hilft dann auch die grottige, kein B-Movie-Klischee auslassende Story um einen Gehirnwäschevirus nichts. Oder der völlig uncharismatische Gegenspieler. Oder der noch uncharismatischere Computerstimmen-Sidekick, den sie Angie ans Bein gebunden haben. Die Level wirken lieblos aneinandergeklatscht und ergeben in ihrer Abfolge mitunter schlicht keinen Sinn. Was die Entwickler nicht daran hindert, uns in ihnen enervierend lange von einer Ecke der Map in die andere und wieder zurück zu gängeln. Und dann besitzen sie tatsächlich die Frechheit, das Ganze auf der Freiheitsstatue enden zu lassen.
Technisch hat die Sache Licht und Schatten. Die Engine ist passabel und die Levelbauten an sich sind hübsch anzusehen. Dann gibt es noch eine ganz brauchbare Objektphysik. Leider ist das Spiel aber sehr buggy und stürzt immer mal wieder ab. Und vor dem letzten Level hatte ich einen nicht zu behebenden Instant-Death-Bug, der mich dazu zwang, mir das Finale dieser Gurke auf Youtube anzusehen.
Wirklich katastrophal wird es aber auf der Soundseite. Die Umgebungssounds sind unglaublich nichts sagend und dosig. Mitunter fehlen sie auch völlig. Die Musik lauter zu stellen, ist aber auch keine Lösung, da sie in 90 Prozent der Fälle komplett am Setting vorbeigeht.
Die Krone setzen dem ganzen aber die Sprecher auf. Ich beziehe mich hier wohlgemerkt auf die deutsche Originalfassung. Das ist schlicht und ergreifend unterirdisch. NIEMALS in meiner Spielerkarriere habe ich Schlimmeres erleben müssen, auch nicht in den abstrusesten Burut-Shootern, denn über deren falsch akzentuiertes Englisch kann man wenigstens noch herzlich lachen. Was Nuclearvision hier verbrochen hat, ist absolut indiskutabel. Ich weiß nicht, wo sie die Sprecherin der Titelheldin aufgetrieben haben – aber ich hoffe, sie haben sie dort wieder gut versteckt. Meine Ohren bluten bis heute. Schlimm, einfach nur schlimm. Auf der Rückseite des Spiels wird mit über "50 Minuten gerenderten Filmsequenzen in Kino-Qualität" geworben. Mit Hinblick auf die Sprachausgabe kann ich nur vermuten, dass Nuclearvision damit das Peepshow-Kino im Braunschweiger Bahnhofsviertel meinen, das sich merkwürdigerweise auf volllobotomisierte Darsteller spezialisiert hat. Nichts gegen absonderliche Fetische. Aber das Ganze tatsächlich zum Kauf anbieten? Dreist.
Genug. Psychotoxic kann man sich getrost schenken. Trotz der vier tollen Traumlevel. In denen zeigen die Braunschweiger durchaus Talent. Aber der Rest ist leider, leider betretenes Schweigen.
Kószdy kozow swoju brodu chwali.
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
gog bietet Pathologic an. Für Windows 7 & 8 optimiert.
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Xbox: cordia96
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Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
@mr_archer:
Ich gebe zu, dass die Realweltlevel öde waren und sich unnötig in die Länge gezogen haben, aber diese Traumwelten waren einfach eine Abwechslung, die die anderen generischen Shooter nicht hatten. Deshalb sind mir die Impressionen von Psychotoxic - trotz der eher negativen Meinung - noch Jahre danach in Erinnerung geblieben. Von anderen Shootern bleibt mir nix in Erinnerung.
Es wäre viel mehr drin gewesen, aber ich denke eben als kleines Team ist das nicht so einfach, vor allem wenn du sagst es waren nur 4 Leute. Naja, schade, das Studio gibts wohl nicht mehr... zumindest hatten die das Potential mal was "anderes" zu entwickeln, als sonst auf den Markt geworfen wird.
Irgendwann 2009 oder so kam ein Spiel raus, das war auch ein Egoshooter, ähnlich mit Traumwelten, und von Entwicklern aus dem Osten. Ich habe jedoch leider den Namen des Titels vergessen, aber war nicht sonderlich begeistert: da wurden einem einfach nur immer dieselben Gegner entgegengeworfen und nach 10 Minuten dachte man "jetzt reichts aber mit dem Scheiss".
Ich gebe zu, dass die Realweltlevel öde waren und sich unnötig in die Länge gezogen haben, aber diese Traumwelten waren einfach eine Abwechslung, die die anderen generischen Shooter nicht hatten. Deshalb sind mir die Impressionen von Psychotoxic - trotz der eher negativen Meinung - noch Jahre danach in Erinnerung geblieben. Von anderen Shootern bleibt mir nix in Erinnerung.
Es wäre viel mehr drin gewesen, aber ich denke eben als kleines Team ist das nicht so einfach, vor allem wenn du sagst es waren nur 4 Leute. Naja, schade, das Studio gibts wohl nicht mehr... zumindest hatten die das Potential mal was "anderes" zu entwickeln, als sonst auf den Markt geworfen wird.
Irgendwann 2009 oder so kam ein Spiel raus, das war auch ein Egoshooter, ähnlich mit Traumwelten, und von Entwicklern aus dem Osten. Ich habe jedoch leider den Namen des Titels vergessen, aber war nicht sonderlich begeistert: da wurden einem einfach nur immer dieselben Gegner entgegengeworfen und nach 10 Minuten dachte man "jetzt reichts aber mit dem Scheiss".
Re: Osteuropa-Shooter aus der zweiten Reihe
Cool. Wird gekauft. Ich muss spieletechnisch allerdings erst erwachsen werden. System Shock 2 gibt mir schon das Gefühl gestern das erste Mal eine Maus berührt zu haben.crewmate hat geschrieben:gog bietet Pathologic an. Für Windows 7 & 8 optimiert.
http://www.gog.com/gamecard/pathologic