ZombieDev hat geschrieben: ↑13.12.2021 11:06
Aber hier ist doch der Knachpunkt: WOLLEN die meisten Menschen das wirklich?
Gesellschaftliche Veränderungen finden statt, sobald genügend (!) Menschen diese Veränderung ausdrücklich wollen. Dann wird diese Veränderung der neue Standard und man denkt nicht mehr darüber nach. Weil dann ist es halt so. Bis sich wieder die nächste Veränderung ergibt.
Mein Eindruck ist eher, dass sich eine elitäre Film-Gesellschaft herausbildet, die sich gegenseitig bestätigt, sich aber recht wenig dafür interessiert, ob die Menschen, die ihre Filme schauen sollen, sich wirklich dafür interessieren.
Dein Eindruck täuscht. Was Du aber meinst, dass sind die üblichen akademischen Kreise, wo man schon immer gerne den Elfenbeinturm, in dem man lebt, mit der Wirklichkeit verwechselt. Simples Filterblasen-Phänomen. Da werden haufenweise Art House-Filme für den intelektuellen Circle Jerk gedreht. Für sich selbst. Um sich selbst auf die Schultern zu klopfen, wei geil man doch ist. Zum Glück sind aber nicht alle so
Casting-Choices und so Sachen bei Kommerz-Angeboten dienen aber wirklich nur rein kommerziellen Aspekten. Wie besetzt man Rollen so, dass möglichst viele Menschen angesprochen werden? In Hollywood hat man das z.B. lange Jahre mit den Blaxploitation-Filmen gemacht, wo man zwar das Geld der Schwarzen haben wollte, aber sich noch nicht traute Mainstream-Filme prominent mit dunkelhäutigen Schauspielern zu besetzen. Also wurden Filme speziell für das schwarze Publikum gedreht. Wo sie in Kinos in schwarzen Wohnviertel liefen. Gelebte Rassentrennung. Heute kräht kaum noch ein Hahn wegen Idris Elba oder Samuel Jackson. Und als Chadwick Boseman starb, waren viele betroffen und berührt. Nicht, weil er schwarz war, sondern weil er als Schauspieler enorm populär war.
Übrigens, es gibt in den USA eine blühende Filmwirtschaft abseits von Hollywood, wo Filme für die Leute im Rust Belt gedreht werden. Das Äquivalent zu Blaxploitation-Movies: Filme für den White Trash, für die dort immer noch üblichen großen Autokinos. Da wird dann auch auf der Leinwand eine Parallelgesellschaft gelebt, wo die Dinge einfach, schlicht, patriotisch und ziemlich weiß sind. Da rümpft dann der intellele City-Bewohner der Ost- und Westküste seine Nase über den Pöbel der Zentral-USA und der Pöbel provoziert die Küstenbewohner durch seine bewusst gelebte Rückwärtsgewandheit und ich differenziere hier gerade kein Stück
Ein Problem bekomme ich immer erst dann, wenn ich das Gefühl bekomme, dass Checklisten abgearbeitet werden oder das "virtue signaling" betrieben wird, das auf Kosten künstlerischer Vision geht. Wenn es Kunstschaffenden wichtiger wird zu sagen: "Schaut mal, unser Film/Spiel/etc. ist divers. Wir haben XYZ repräsentiert und auch eine(n) ABC haben wir und auch ein(e) 123!" Das befremdet mich persönlich einfach ziemlich.
Auch das ist nichts neues. Ist Dir früher nur nicht aufgefallen, weil Du mit dem früher propagierten Status als Normalzustand aufgewachsen bist. Es fällt Dir jetzt auf, weil es noch ungewohnt ist. Wird in einer Generation, in 30 Jahren keinen mehr kümmern.
Man kann z.B. von Uwe Boll halten was man will, ich mag auch nicht alle seiner Filme, aber anders als das weichgespülte Hollywood versucht Boll zumindest thematisch kontroverse Themen zu beleuchten, auch wenn das nicht allen gefällt.
Boll provoziert nicht durch seine Themenwahl, sondern durch seine filmschaffende Inkompetenz und seine Weigerung anzuerkennen, dass er eben NICHT der geile Filmrebell ist, der er glaubt zu sein.
Ansonsten ... ja, es gibt weiterhin genug Themen, mit denen man provozieren kann. Und sei es nur dem Bürgertum den Spiegel vorhalten und aufzuzeigen, wieviel Doppelmoral und Verlogenheit hier immer noch herrschen. Denn das funktioniert IMMER, weil es weiterhin genug Menschen gibt, die sich gerne mit z.B. Toleranz und Weltoffenheit und HachHuch schmücken, in Wirklichkeit aber weiterhin egoistische Ärsche sind, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind. Ich kenne jemand, der gibt tatsächlich mit seinen "Flüchtlings"-Freunden an, weil ihn das total weltoffen erscheinen lässt. Dass diese Menschen für ihn aber nur Werkzeug zur Selbstbeweihräucherung sind ... will er aus naheliegenden Gründen nicht hören.
Ich denke einfach, dass weichgespülter Unterhaltung bequemer ist, als sich zu überlegen, wo man in unserer Gesellschaft den Finger in die Wunde legen könnte.
Keine Frage. Ersteres bezahlt die Rechnungen und man hat genug Zeit für Familie und Freunde. Letzteres ist mühselig, anstrengend und man betreibt auch im privaten Umfeld Raubbau, wenn da niemand ist, der einen 300%ig unterstützt.
Abschliessend ... ich kann schon nachvollziehen, warum so ein von Dir beschriebener Eindruck entstehen kann. Oft genug ist das wirklich nur eine rein kommerziell motivierte Entscheidung. Gerade WEIL sich die Gesellschaft ständig wandelt. Da braucht man keine Sorge haben, unbewusst in ein virtuelles Umerziehungslager gesteckt zu werden. Dafür haben wir schliesslich die ganz normale Werbung, die uns einredet Dinge zu brauchen, die wir kein Stück brauchen