Ghisby hat geschrieben: ↑19.04.2022 12:22
Krulemuk hat geschrieben: ↑19.04.2022 11:43Eine "geschlechtsneutrale Formulierung" ist somit nach derzeitigen Regelwerk sehr einfach umzusetzen: Durch das generische Maskulinum!
Das generische Maskulin ermöglicht kein freieres Geschlechtsdenken, warum sollte auch klar sein.
Bei dem Wort "Handwerker" besteht einen 50/50 Chance, dass nur männliche Handwerker gemeint sind, und genau diese Undeutigkeit schlägt sich in Studien wieder.
Wenn von Kinder erwartet wird 10 Sänger zu nennen, fallen häufiger Namen von männlichen Sängern als von weiblichen.
Fragt man allerding nach 10 Sänger und Sängerinnen verteilt sich die Anzahl der Nennung von jeweils weiblichen und männlichen Sängern gleichmäßiger.
Sprache bestimmt nunmal auch unser Handeln und wenn durch das generische Maskulinum eine 50/50 Chance zu gunsten der männlichen Ausprägung geboten ist, dann ist es doch nur fair und im Sinne einer klugen Gesellschaft, dass dies besser spezifiziert wird.
Mir ist die Argumentation durchaus bekannt, aber in dem von mir zitierten Beitrag ging es ja um die rein formale Regelanwendung, und da ist das generische Maskulinum eben per Definition geschlechtsneutral, wenn man Genus und Sexus nicht miteinander verwechselt.
Es ist richtig, dass in vielen Studien verdeutlicht wurde, dass Menschen, wenn sie "Die Professoren" hören, mehrheitlich an Männer denken und dass dies erhebliche Implikationen auf Kompetenzzuschreibungen haben kann.
Die Frage ist hier aber, ob es sich hierbei tatsächlich um eine Kausalität oder nur um eine Korrelation handelt. Professoren waren in der Vergangenheit leider mehrheitlich männlich. Gott sei Dank ändert sich das je nach Wissenschaftsbereich gerade massiv, aber könnte es vielleicht sein, dass die Menschen bei "Professoren" an Männer denken, weil es leider in der Vergangenheit häufig Männern aufgrund ihrer damaligen strukturellen Privilegien vorbehalten war, Professor zu werden? Projizieren Menschen ihre eigenen Erfahrungswerte also in die Gruppenbeschreibung, wenn sie von "Professoren" hören?
Anderes Beispiel: Als Angela Merkel im Jahr 2005 Bundeskanzler
in der Bundesrepublik Deutschland wurde, haben wir uns dazu entschieden, dass wir sie als "Bundeskanzlerin" bezeichnen und nicht als "Bundeskanzler", was formal richtig gewesen wäre (Das Grundgesetz kennt nur das Amt "Bundeskanzler"). Als Frau Merkel im Jahr 2021 von ihrem Amt abtrat, kannte eine ganze Generation nur diese eine Kanzlerin. Ihr gesamtes politisches Leben sind sie mit ihr aufgewachsen. Hätten wir Frau Merkel also über die 16 Jahre als "Bundeskanzler" bezeichnet, würde eine ganze Generation von Menschen vielleicht als erstes an eine Frau denken, wenn jemand vom "Bundeskanzler" spricht.
Ich weiß es nicht. Ich nehme zur Kenntnis, dass sich Menschen sprachlich marginalisiert fühlen und finde es daher nicht einfach, bei diesem Thema zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Nach Abwägen der Vor- und Nachteile muss ich aber für mich feststellen, dass ich nicht glaube, dass die Übergriffigkeit des Genderns und die Spaltung der Gesellschaft, die damit leider einhergeht, es zu einem lohnenswerten Beitrag zur Befreiung von Menschen macht. Die Sprache ist auch nicht "inklusiv", weil sie die Hürden für bestimmte Gruppen, wie Menschen mit Migrationshintergrund, Fremdsprachler oder Menschen mit Sprachbehinderungen massiv erhöht.