Ich kann mich vielen kritischen Stimmen anschließen. Ich habe bei Jörgs Test (nichts für ungut) das Gefühl, dass er Brave New World nie auch nur ansatzweise gespielt hat. Sonst würde er Beyond Earth sicher nicht in so hohen Tönen loben und erst recht nicht mit Platin belohnen.
Die meisten seiner hochgelobten Features gab es in BNW bereits. Speziell die Diplomatie wurde wirklich eins zu eins übernommen (sogar die Texte!) mit dem Unterschied, dass man den Handel mit den nicht mehr existenten Luxusgütern gestrichen hat. Ein, in meinen Augen, katastrophaler Rückschritt gegenüber Civ 5. Dadurch verkommen die anderen Zivilisationen bzw. Kolonien zu nutzlosen Idioten die ab und zu für einen freien Gefallen strategische Ressourcen haben wollen die nur ein blinder Depp hergeben würde. Eine echte und vor allem nützliche Interaktion mit den Aliens gibt es auch nicht, ergo ballert man sie über den Haufen wenn sie mit einem Nest gerade im Wege stehen. Das bisschen Gemoser der anderen Kolonien macht ja eh nix.
Mit gerade mal acht Fraktionen hat man sich bei Firaxis auch wirklich nicht übernommen. Ganz zu schweigen davon, dass diese völlig austauschbar sind (keine besonderen Einheiten oder Gebäude), bis auf die nach kurzer Zeit nicht wirklich nennenswerten Boni. Da lauern jede Menge DLCs im Hintergrund fürchte ich. Oben drauf kommt noch, dass man von Anfang an weiß wo sie sind. Das war bei Civ 5 immer sehr interessant wann man denn auf eine andere Zivilisation stoßen wird. Dieser Reiz zur Erkundung und damit Erschließung neuer Handelsmöglichkeiten (mangels Luxusgüter wiederum eh nahezu sinnfrei) fällt dadurch auch komplett weg.
Dann wären da noch diese Stationen die mehr oder weniger eine Alibifunktion haben um die Stadtstaaten aus Civ 5 zu ersetzen. Mehr als eine Handelskarre hinschicken braucht man nicht. Besser ist es meistens die Station verrotten zu lassen da die oft einer möglichen eigenen Stadt im Weg stehen da dort wichtige Ressourcen sind.
Die allgemeinen Quests (die einen auch mal dazu animieren sämtliche Gebäude zu bauen) lockern das ganze auf, ja, aber sind spätestens nach dem dritten Mal auch uninteressant da man meistens die gleichen Boni (speziell für die ständig rare Gesundheit) auswählt. Thema Gesundheit: Das ist schlichtweg die "Zufriedenheit" aus Civ 5 mit anderem Namen und eine negative Gesundheit hat viel schwächere Auswirkungen als bei der negativen Zufriedenheit bei Civ 5. Kann einem im Zweifelsfall also herzlich egal sein ob man negative Gesundheit hat oder nicht (ich weiß, 10% Malus auf Forschung und Kultur, ist aber nix im Vergleich zu Civ 5).
Spionage und Orbitaleinheiten sind das einzige was wirklich bereichernd wirkt. Vor allem die Satelliten die normale oder sogar strategische Güter aufdecken sind ziemlich nützlich im späteren Spielverlauf.
Aber, und jetzt kommt der für mich größte Kritikpunkt, die Einheitenentwicklung wurde voll vor die Wand gefahren. Wirklich voll. Totalschaden. Wer sich diese für den größten Idioten vereinfachte Schei**e hat einfallen lassen gehört zumindest am virtuellen Techtree aufgehängt. In Civ 5 hatte ich gefühlt 100 verschiedene, je nach Terrain
sinnvolle, Varianten meine Einheiten anzupassen. Jetzt sind es maximal vier durch die Affinität bestimmbare komplette Upgrades (für alle Einheiten des gleichen Typs) und die XP durch Kämpfe selbst gibt einem genau
eine Möglichkeit, nämlich 10% auf Verteidigung und Stärke. Eine
einzelne weitreichende Artillerieeinheit mit einem stark gegen Fernangriffe geschützten Panzer zu entwickeln während andere Panzer für den Angriff gegen Landeinheiten optimiert werden ist dadurch nicht mehr möglich und ruiniert den letzten Ansatz von erweiterter Taktik.
Ein Flugzeug im ganzen Spiel. Geht's noch?
Das Technologienetz und die Affinitäten sind auf jeden Fall interessant und lenken das Spiel in eine andere Richtung als Civ 5 (was auch so sein sollte). Das gefällt mir auch allerdings tendiert alles ab einem gewissen Forschungslevel dazu einfach jede Affinität so weit zu treiben wie möglich um sämtliche Boni zu bekommen. Die Festlegung auf eine Affinität ergibt auf kurz oder lang überhaupt keinen Sinn. Vor allem wenn man nicht gerade auf einen der drei darauf zugeschnittenen Siege hin arbeiten will.
Für sich betrachtet ist Civilization Beyond Earth ein gutes bis sehr gutes Rundenstrategiespiel. Mit Blick auf den "Vater" Civilization 5 ein ziemlich mißlungener Versuch das ganze in eine Science Fiction Ebene zu transportieren. Als Zukunfts-DLC für Civ 5 wäre es in abgespeckter, dafür besser angepasster, Variante herausragend. So ist es leider sehr ernüchternd und fesselt mich nicht mal ansatzweise so wie Civilization 5 bei dem ich mittlerweile weit über 1000 Stunden auf der Uhr habe.
edit/: Ganz vergessen, das so modern wirkende UI ist ebenfalls eine Katastrophe. Ich suche mich dumm und dämlich was denn nun Wunder, was Gebäude und was (Orbital)Einheit ist im Forschungsnetz. Alles in einer Farbe und kaum auseinander zu halten. Im Baumenü setzt sich das fort. Da hat man die klare bunte Übersichtlichkeit aus Civ 5 einer pseudo modernen Optik geopfert. Fühlt sich einfach schlimm an die ganzen Rückschritte aufzuzählen.