Help hat geschrieben:
Aber man kann die Schuld nicht nur der Presse zuschieben, sondern auch den Käufern, die dem Blendwerk glauben und nicht kritischer einkaufen.
Klar, ich will hier auch gar nicht behaupten es handele sich hier um eine rein kausale Kette. Natürlich sorgen auch die Spieler selbst durch hohe Verkaufszahlen dafür, dass Entwickler glauben sie müssten in dieser Richtung weiterwerkeln und selbstverständlich folgern auch auch die Schreiberlinge diverser Spielemagazine aus den Verkaufszahlen, dass das Interesse an solchen Spielen hoch ist und hypen sie entsprechend - da spielt eins ins andere... Nicht zuletzt sind auch sie gewissen Zwängen und Verpflichtungen unterworfen, ist schon richtig. Auch die Publisher spielen eine Rolle, es ist nicht ganz einfach Geld für etwas zu bekommen, was wirklich neu ist - die Publisher fahren oft eine zu konservative Linie und gehen auf Nummer sicher. Es ist hier also eher von Interdependenz auszugehen.
Aber sind wir mal ehrlich, nach irgendwelchen Kriterien muss ich mir ja ein Game aussuchen - und da liegt der Griff zum Spielemagazin, egal, ob on-oder offline, einfach nahe. Das Problem, das mir aber zunehmend aufstösst, ist die Tatsache, dass die meisten Tester eben auch begeisterte Spieler sind und daher oft selbst viel zu unkritisch. Da wird dann ganz gerne mal der logische Verstand abgeschaltet, wenn es darum geht, das eigene Lieblingsspiel zu bewerten.
Nur um mal wieder ein Beispiel zu nennen. Anfang dieses Jahres kam die erste Erweiterung für World of Warcraft auf den Markt, ein Spiel, das auch ich ganz nett finde und nun schon seit US-Release spiele. Da war dann direkt von der "größten Erweiterung die jemals für ein MMORPG" produziert wurde die Rede. Dass Blizzard über zwei Jahre gebraucht hat um diese eine Erweiterung auf die Bahn zu bringen wurde großzügig unter den Tisch fallen gelassen. Jau, kein Witz - in dieser Zeit hauen andere Entwickler gleich drei Erweiterungen raus. Überhaupt bietet die Expansion kaum was wirklich Neues, da wurde viel recyclt. Am Gameplay wurde gar nichts, aber auch gar nichts verändert - gerade im Hinblick auf die ewige MMO-Tretmühle aus endlosem Grind und Fed-Ex Quests wurde absolut nichts verändert. Das spricht aber keiner aus - klar, einem Spiel wie WoW erteilt man keine schlechten Noten, man könnte ja potentielle Leser verprellen. Und wo soll der kritische Blick auch herkommen, wenn der Redakteur, der den Test vornimmt auch gleichzeitig der Uber-Fanboy schlechthin ist, der morgens schon mit WoW-T-Shirt in die Redaktion kommt, um dann aus der WoW-Tasse mit Allianz-Motiv genüsslich seinen Kaffee zu schlürfen, während er sich den subjektiven Kappes zusammenklimpert, den hunderte Spieler später lesen - natürlich erst nachdem er im brandneuen Battleground erstmal ein paar n00bs gepwnt hat.
Die Abwesenheit von Innovation spielt in dieser Branche keine Rolle - und das ist irgendwie Schade. Man schaue sich nur The Lord of the Rings Online an, das dieser Tage erschienen ist. Das Spiel ist ein WoW-Clon wie er im Buche steht. Ich spiele MMOs schon seit Everquest 1... und schon immer hat sich das MMORPGs kräftig bei den Vorgängern bedient, dass so dummdreist kopiert wurde gabs aber, glaube ich, noch nie. Trotzdem gibts überall gute Noten, scheiss auf Innovation oder Originalität - hauptsache man kann mal wieder im Auftrag von ZweiterNPCumdienächsteEcke ausziehen, um die lokale Wolfspopulation rund um die Stadt ein bisschen auszudünnen. Ganz wichtig ist inzwischen Einsteigerfreundlichkeit. Dafür alleine gibts schon kräftig Punkte. Einsteigerfreundlichkeit bedeuted im Falle von The Lord of the Rings Online dann, dass man auch ruhig mal zwischendurch einschlafen kann, die Kämpfe sind so einfach, dass der Charakter auch gut mal einen Kampf oder zwei ohne eine menschliche Intelligenz auskommt, die ihn steuert.
Bevor mich jetzt gleich die LOTRO-Fanboys auf Rad flechten wollen - LOTRO ist kein schlechtes Spiel. Es ist aber weder originell, noch innovativ. Ob man für gutes Abkupfern vom Vorgänger allerdings direkt Topnoten vergeben muss, zweifle ich an.
Ich jedenfalls sehe schon die nächste Kolumne von irgendeinem Spielejournalisten auf uns zukommen, der uns dann vorjammert, dass doch heute alle MMOs irgendwie langweilig seien, weil halt genauso wie WoW...
Viel zu oft nicken Journalisten der Spielebranche heute das ab, was Entwickler ihnen vorkauen. Wenn irgendein Entwickler das tausendste Next-Generation MMO auf irgendeiner Spielemesse vorstellt, dann klatscht die versammelte Presse of nur treudoof vor sich hin, anstatt, dass mal einer aufsteht und dem Trottel mitteilt, dass Ameisen als Reittiere kein wirklich neues Feature sind... und schon gar nicht next-gen. Wer denkt ich fantasiere nur - ich hab ähnlichen Mist selbst schon erlebt...
Damit will ich nicht alle Journalisten der Spielebranche schlechtmachen. Es ist aber so, dass diese eben engen Kontakt zu den Entwicklern haben, zumindest wesentlich engeren, als die meisten Spieler. Zudem sind sie "vom Fach" wie man so schön sagt oder doch zumindest keine externen, wie die meisten Spieler. Ihnen gesteht man die Kompetenz zu ein Spiel objektiv beurteilen zu können. Wer also, wenn nicht sie, hat es in der Hand den Entwicklern mitzuteilen, dass es an der Zeit wäre ausgetretene Pfade zu verlassen und einmal was Neues zu probieren?