wertungsfanatiker hat geschrieben:@Arvid: Die Hauptkritikpunkte, die du angibst, sind bei jedem aktuellen CRPG klassischer Art wie DAO, NWN 2, Drakensang mangelhaft. Eine Einarbeitung mittels Lektüre des Handbuchs ist nicht mehr erforderlich, soll es auch nicht sein (nach Willen der Publisher, Entwickler).
In der wirklich goldenen Epoche des CRPG (greife diesen Begriff mal auf, weil er sehr gelungen ist), also 1998 - 2002 (Renaissance wäre vielleicht treffender), musste sich der Spieler zum Entdecken spielerischer Feinheiten auch ins Handbuch vertiefen.
Drakensang hat mit Teil 1 das Regelsystem (leider das neue) halbwegs ordentlich umgesetzt, soweit das in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich/erwünscht ist. Ob bei Teil 2 der Einsatz der Talente, nicht nur der Kampftalente, mehr gebraucht wird, weiß ich nicht. Mehr Möglichkeiten bei der Charakterentwicklung ist gerade bei einer P&P - Umsetzung aber immer wünschenswert.
Du gehst davon aus, dass klassische RPG´s schwierig zu lösen waren, Wertungsfanatiker. Hierin stimmen wir dann überein.
Weiter beschreibst du, dass diese Spielschwierigkeit alter CRPGs durch das Lesen eines Handbuches ausgeglichen werden konnte, worin hilfreiche Tips gegeben wurden?
Meiner Ansicht nach ist dies nur die halbe Wahrheit.
Frühere CRPGs, wie die Wizardry Serie, haben die Charakterklassen, die Steigerungsmöglichkeiten, Talente, etc. und auch die Spielsteuerung beim Kämpfen vorerklärt, damit man im Spiel die Steuerung grundsätzlich kannte.
Heutige CRPGs haben abgesehen von Tuturialhilfen in PopUps und Spielerklärungsfenstern, etc. die Möglichkeit den Spieler nach und nach in die Spielsteuerung einzuweisen.
Deshalb entsteht der Eindruck, man brächte kein Handbuch mehr, weil alles durch aufblinkende Kurzerklärungen und wenig komplexer Steuerung schnell erklärt ist.
Insofern hast du recht, es verkauft sich auch leichter und diese Richtung "entwickelt leichte Spiele" werden auch die Publisher den Entwicklern aufdrücken.
Aber meiner Einschätzung hat diese Entwicklung dazu geführt, dass sich Spieleentwickler immer weniger komplexe, intelligente und taktisch herausfordernde Spielesituationen - im CRPG-Bereich - einfallen lassen.
Ein Witcher, ein DragonAge und ein NWN machen trotz ihrer unterschiedlichen Systeme und Skillmathematik anfangs und im Mittelspiel noch Spaß, bis der Spieler die Neuentdeckungen ausgereizt hat, sich die Kämpfe durcharbeitet, obwohl diese nicht das gelbe vom Ei sind.
Doch gibt es bei diesen Spielen unerwartete Ideen und Neuerungen, die nicht die Spielegrafikhypes bedienen? DragonAge hat die interessanten Dialoge und den persönlichen Touch, NWN eine D&D-Lizenz, Witcher einen coolen Charakter mit erwachsenen Dialogen ... doch meiner Meinung reicht das für ein fesselndes Rollenspiel auch auf dem Computer _nicht_ mehr.
Der nächste Schritt nach Wizardry, Baldurs Gate und Morrowind (hatte zumindest die grafisch freie Welt) wäre ein taktischer Tiefgang bei den Rollenspielen gewesen, ... bspw. ein rundenbasierter Kampf in isometrischer Ansicht, ähnlich der Nordlandtriologie, worin Geländearten, Höhenformationen, Hindernisse, Tageszeit und Aktionspunkte eine die Kämpfe beeinflussende Grundlage gebildet hätten.
Fallout 3 geht diesen Weg mit dem VATS-Kampfsystem teilweise. Ist aber trotzdem zu sehr Echtzeitgemetzel und mehr Actiongame als Rollenspiel.
Wenn man sich vor diesem Hintergrund der Spielschwierigkeit und Herausforderung dann Drakensang: am Fluss der Zeit anschaut, ... dann muss man - eventuell unfairerweise gegenüber einer kleineren Spieleschmiede aus Deutschland - ... sagen, dass dieses Spiel nur schöne bunte Bildchen und eine adventurehafte Geschichte liefert aber sich nicht Rollenspiel nennen sollte.
Denn die Rollenspielelemente des DSA-Systems werden kaum genutzt (Handwerks- und Naturkundetalente). Da war ja Gothic besser, wo der Spieler auch Jagd- und Schmiedetalente lernen und vorteilsreich einsetzen konnte. Das Ergebnis bei Drakensangs seichter Herangehensweise an Spielkomplexität ist eine lineare Handlung, in sehr eingeengten Levelschläuchen. Da nützt es mir auch nicht, dass ich mal um die Stadtmauer rumrennen darf. Ja, Klasse.
Was du wohl auch erstrebenswert findest, wertungsfanatiker, sind die konsequente Ermöglichung vom Einsatz der Kampftalente über auch Handwerks- und Naturtalente, um verschiedene Spielweisen zu ermöglichen und wirkliches Rollenspiel darzustellen?
Bisher machen Rollenspiele - egal ob MORPG oder Singeleplayer - stark das alte Ultima Online nach (selbst World of Warcraft), d.h. Looten, Pet, Charakterausbau und Kampffertigkeiten.
Bei Drakensang: am Fluss der Zeit führt das dann nicht nur zu extrem miesen Balancing (Archetypen haben unterschiedliche Schwierigkeiten im Kampf, für Krieger ist Spiel langweilig, für Metamagier zu heftig), sondern es ermöglicht eigentlich nur eine Focussierung auf den effektiven Kampf. Die Spaßrollenspieler, die beim CRPG konsequent einen Charakter ausspielen wollen, werden benachteiligt.
Letzteres war meiner Einschätzung auch ein Vorteil klassischer CRPGs, viele gaben dem Spieler eine Party von mehreren Charakteren an die Hand, so dass diese insgesamt je nach Spielsituation die fehlenden Talente der anderen ausgleichen konnte.
Heute würde ein glaubwürdiges DSA-Rollenspiel für Singleplayer auch viele (mehr!) verschiedene, nur den Archetypen vorbehaltene Questen erfordern, die dann auch die unterschiedlichen Spielweisen berücksichtigen. Doch vor so einem Mammutwerk scheitern wohl die Scripter und Coder in der Entwicklerwelt, da es schneller funktioniert, ein paar Grafiker niedliche Bilder malen zu lassen und ein paar Standartkämpfe für alle mit denseleben Voraussetzungen einzubauen. Was macht denn Dragon Age so interessant? Der unterschiedliche Start je nach Charakter.
Deshalb bezeichnete ich das neue DSA-Spiel treffender als Drakensang: das den Fluss runterspült.
Das Spiel plätschert langweilig dahin und wird mit zunehmendem Spiel immer langweiliger.