mcRebe hat geschrieben:
Schon einmal daran gedacht, dass es der Mehrheit nicht um die Kunst innerhalb eines Spieles geht, sondern um das Gameplay / um Unterhaltung?
Sicherlich ist die Bandbreite der Spielegenre recht groß, jedoch ist deine favorisierte Nische (künstlerische Aspekte; Einbeziehung der Umgebungsgestaltung in's Spiel) kaum vereinbar mit der Definition von Spiel. Das sind eher interaktive Filme. Daher ärgert es mich (und wie ich sehe auch viele Andere), dass nur das "Kunstwerk" bewertert wird; nicht aber die Möglichkeiten des Spielers. Der Schwierigkeitsgrad, der Umfang, die KI (sofern vorhanden) oder gar die Steuerung bleiben völlig außer acht. ...und wie schon geschrieben: Das Gameplay.
Welche "Mehrheit" denn? Die Mehrheit, die hier im Forum am lautesten brüllt, weil sie nicht in der Lage ist, die (absolut legitimen) individuellen ästhetischen Präferenzen des Rezensenten nachzuvollziehen und sich offenbar einen Spielejournalismus wie von anno 1990 zurückwünscht?
Oder doch eher die "Gesamtmehrheit", die Mehrheit der Marktes, der Vollmainstream? Wobei man mir jetzt erklären müsste, inwieweit es überhaupt irgendwie erstrebenswert sein sollte, sich mit seinem persönlichen Geschmack ausgerechnet dort einzureihen. Man sollte eigentlich meinen, der kleinste gemeinsame Nenner wäre für die meisten Menschen normalerweise ziemlich schnell als der lasche Kompromiss, der er ist, zu erkennen und damit abzulehnen.
Aber irgendwie bekomme ich hier langsam den Verdacht, dass dem nicht so ist. Vielmehr scheint es hier vielen (möglicherweise unbewusst) tatsächlich darum zu gehen, Ressentiments gegen das, was "anders" ist, auszuleben und etwas von ihrer kleinen Welt Abweichendes reflexartig ins Abseits zu stellen ("Scheiß Hipsterkram" und so). Das Internetforum ist als Medium für derartige Schmähungen natürlich bestens geeignet, ermöglicht es doch durch Rudelbildung die Simulation von "Mehrheit". Dabei fällt gerne unter den Tisch, dass zehn Meckerposts nunmal schneller verfasst sind, als eine einzige differenzierte Stellungnahme; wobei bei Letzterer erstmal völlig egal wäre, ob sie nun positiv oder negativ ausfällt - entscheidender wäre es, einmal Bereitschaft zu zeigen, eigene festgefahrene Überzeugungen zu reflektieren und beispielweise mal zu überlegen, ob z.B. meine ganz persönliche Ansichten darüber, was sich denn nun "Spiel" nennen darf und was nicht, überhaupt noch dem künstlerischen Fortschritt des Mediums gerecht werden können.
Am Rande: Die Frage nach der Definition von "Spiel" ist eine linguistisch und philosophisch derart komplexe, da haben sich schon ganz andere, Heidegger zum Beispiel, den Kopf drüber zerbrochen. Im (seien wir ehrlich: doch recht trivialen) Rahmen eines Internetforums werden wir da keine zufriendstellende Antwort finden, glaubt mir. Eben deshalb aber halte ich es für unangebracht bis peinlich, immer wieder gleichmacherisch zu fordern "Also DAS ist jetzt aber wirklich kein Spiel mehr! Ich will nicht, dass das mit Call of Duty & co verglichen wird!". Warum nicht einfach mal
offen sein, sich über Diversität freuen, das Abweichende begrüßen und ihm dankbar sein für seine neuen Impulse?
Dieser Blick über den Tellerrand scheint hier vielen sichtlich schwer zu fallen. Wie auch immer, was die Herren Schmädig, Luibl & co. mit ihren Artikeln leisten, ist in meinen Augen nicht die lächerliche, beliebige Indie-Hype-erei, als die es hier gerne denunziert wird. Diese Redakteure sind vielmehr mutig genug, eine lange überfällige Revision des Verstädnisses von Spielekritik konsequent durchzuführen. Das bedeutet dann in der Praxis: Freudige Annahme der hochsubjektiven Perspektive statt krampfhaftes Festhalten an einem sowieso unerreichbaren Ideal von Objektivität. Ernsthafte Kritik statt Stiftung Warentest. Diskurs statt Bewertung (ja, meinetwegen könnte man die Bewertungsskala gerne ganz verabschieden).
Mit diesem (im besten Sinne "erwachsenen") Ansatz steht 4Players im deutschen Spielejournalismus, mit Ausnahme der GEE, ziemlich alleine da. Ich bin sowas von froh darüber, dass es dieses Magazin überhaupt gibt zwischen all dem langweiligen und angepassten Mainstreamkram. Bei der Gamestar errechnet sich die X/100-Wertung aus den Teilwertungen für Grafik, Sound, Steuerung, etc. Wer das ernsthaft für den besseren Ansatz hält, bitteschön: Dann lest dort weiter. Ich meine das noch nicht mal sarkastisch, im Ernst: Es
gibt doch herkömmliche Spielemagazine noch und nöcher, die nach den hier so gerne eingeforderten "Objektivitäts-" und "Vergleichbarkeitskriterien" verfahren. Warum stattdessen hier, wo ein anderer und zumindest meiner Ansicht nach deutlich innovativerer und befriedigenderer Ansatz verfolgt wird, meckern?
Vielen Dank an Benjamin Schmädig, Jörg Luibl und den Rest für ihren Mut, in einer gleichmacherischen Presse- (und leider auch Fan-)landschaft "anders" zu sein und dabei auch angemessen selbstbewusst aufzutreten, eben nicht vor den fragwürdigen Idealen der vermeintlichen "Masse" zu kuschen. Bitte lasst euch nicht verbiegen und macht weiter so. Dass ihr euch darüberhinaus sogar noch im Forum, das teilweise mehr einer Beschwerdebox für ignorante Schmähungen gleicht, mit euren Kritikern auseinandersetzt, verdient ebenfalls größten Respekt.