mr archer hat geschrieben:Wulgaru hat geschrieben:
Sorry, aber das ist eine Steilvorlage. Tolkien ist genau wie Tolstoi absolut zeitlos. Ich konnte beide Bücher Jahrzehnte bzw. über ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinungsdatum lesen und genießen, genau wieder jeder andere vor und nach mir.
Darum geht es nicht. Natürlich kann man gut erzählte Abenteuerliteratur auch hundert Jahre später lesen und seinen Spass daran haben. Trotzdem ist für mich der
Herr der Ringe kein
Moby Dick. Wenn man nach dreißig Jahren zu Tolkiens Text zurück kehrt, hat sich nichts an ihm geändert. Es gibt hier keine neue Ebene zu entdecken, die etwas mit den eigenen, gewachsenen Lebenserfahrungen zu tun hat. Es ist einfach nur der gleiche Schmöker wie damals mit fünfzehn. Nur das man jetzt eben merkt, dass die überwiegende Mehrzahl der entworfenen Charaktere komplett eindimensional sind und dass Tolkien zwar komplexe Sprachen erfinden konnte - aber an glaubhaften Frauenfiguren kläglich scheiterte.
Und selbst was die Spannung angeht, ist das mit der Zeitlosigkeit von großer Abenteuerliteratur so eine Sache. Noch für dreißig Jahren hätte vermutlich jeder Stein und Bein darauf geschworen, dass die
Winnetou-Bände von May zeitlos sind und einfach immer wieder neue Lesergenerationen nachziehen. Ganz ehrlich - ich glaube das nicht. Einfach weil sein Sprach- und Erzählstil mittlerweile doch sehr arg angestaubt ist.
Ironisch das du Moby Dick im Zusammenhang mit Frauenrollen und angestaubt erwähnst. Hände hoch: Wer hat Moby Dick gelesen und hat die Kapitel über Seilarten genossen? :wink:
Nein, das ist gemein. Wenn du Moby Dick magst gönne ich es dir. Für mich war das kein schönes Buch. Aber was ich damit sagen will ist folgendes, egal ob ich mich wiederhole: Das ist subjektiv. In Herr der Ringe (und dem Silmalrillion, welches ich gedanklich immer dazu zähle) sind dutzende von Legendenmotiven drin, die du mit 15 sicher nicht alle verstehst. Wenn ich mit 25 dahin zurückkehre sieht das schon ganz anders aus. Das ich es aber überhaupt tue ist meine persönliche Vorliebe. Ich werde Moby Dick nie wieder auch nur mit der Kneifzange anfassen und auch das ist mein Geschmack. Ich habe ja extra geschrieben das man sich nicht an Tolkien aufhängen sollte. Er bietet eine sehr große Angriffsfläche, aber nur weil ein Roman beispielsweise keine starken Frauenrollen hat, ist er nicht schlecht oder zeitlos...siehe Moby Dick. :wink:
Wenn du dich weiter an Tolkien aufhängen willst, kannst du das gerne tun, vielleicht gelingt es dir die perfekten Argumente zu finden. Das ändert aber nichts an der Tatsache das es dutzende Fantasyromane gibt, die anspruchsvoll sind. Die Aussagen drin haben, komplexe Charaktere, zeitlose Motive usw.
Wie gesagt. Gibson und Lem findest du auch in der Fantasy.
Da wir bei Tolkien angefangen haben, kann ich dir aber gleich mal was geben: Fantasy als Bildungsroman.
Der golden Kompass (His Dark Materials 1-3) von Pullmann. Die unendliche Geschichte und Momo von Michael Ende. Among Others von Jo Walton, Die Gebrüder Löwenherz von Astrid Lindgren oder Die Brücke nach Terabithia von Kaherine Paterson um nur ein paar Sachen zu nennen. Sie erklären Kindern und Jugendlichen durch die Mittel der Fantasy elementare Vorgänge innerhalb der Welt und sind daher literarisch wertvoll. Aber so viel brauchte es glaube ich eh nicht für Kunst. Ich kann auch bei "Erwachsenenbüchern" so weitermachen, aber es bringt nichts, da das dann in Namedropping ausartet.