Man sollte aber auch fair bleiben. Wenn du mit Goethe vergleichen kannst, quasi als Konkurrenzprodukt, sind die Romantiker Eichendorff und Hoffmann. Das sind "Künstler" seiner Zeit und egal was Literaturwissenschaftler jetzt abstreiten mögen auch Fantasyautoren wenn man nach heutigen Kriterien geht. Sie haben mit der Realitätsflucht sogar die Vorstufe zur heutigen Motivation zum Konsum von Unterhaltungsmedien.
Das bedeutet aber nicht das ihre Werke kein Niveau hätten. Wer mal Elixiere des Teufels oder Sandmann von Hoffmann gelesen hat, weiß das es zwar anders ist als ein Goethe oder Schiller, aber trotz allem ebenso komplex und voller kluger Gedanken.
Ein fairer Vergleich für einen Rothfuss muss auch zeitgenössische Literatur sein. Alles andere finde ich albern. Gerade wenn man Fantasy dogmatisch als Schund abtut muss man das richtig tun. Ich kenne jedenfalls keinen anerkannten lebenden Literaten der mit Goethe verglichen wird und daher weiß ich nicht warum zeitgenössische Fantasy diesen Anspruch leisten sollte.
Trivialliteratur oder Kunst?
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Re: Trivialliteratur oder Kunst?
Nix. Alle Trivialliteratur ist Kunst. Nur eben nicht unbedingt gute.-Naboo- hat geschrieben:Was hebt eurer Meinung nach Kunst von Trivialliteratur ab?
Kunst ist im allgemeinen alles, wo sich jemand hinstellt und durch den gesellschaftlichen oder einen selbst gesteckten Rahmen etwas zur Kunst erklärt oder wo jemand ganz offensichtlich etwas Kulturelles erschafft.
Wenn ich Heftpflaster und Mullbinden in die Badewanne werfe, sind das nur Heftpflaster und Mullbinden in einer Badewanne.
Wenn J. Beuys das macht und sagt: "das ist mein Kunstwerk", dann kann er jemanden, der die Heftpflaster und Mullbinden aus der Badewanne entfernt, auf 40.000 (damals DM) verklagen - wegen Zerstörung eines Kunstwerkes.
Letztendlich ist es auch ein Kunstwerk, wenn ich gedanklich abwesend eine kleine Melodie vor mich hin summe, die mir in dem Moment spontan so einfällt, oder wenn ich während eines Telefonats auf einem Zettel irgendwas vor mich hin skizziere.
Re: Trivialliteratur oder Kunst?
Um mein Beispiel nun zu wiederlegen, müsstest du also den Kontext kennen. Nicht?Dan Chox hat geschrieben:Platte Weisheiten - so nenne ich das mal - kannst du auch im Sprüchebuch finden. Darum geht es der Kunst im Grunde auch gar nicht. Wichtiger ist, die Umstände aus denen diese Erkenntnis resultiert in Kontext zu bringen, sodass die Weisheit über das bloße Beispiel hinaus daraus hervorgeht.Dellocatus hat geschrieben:Fantasy kann genau so Weisheiten verbreiten wie es ein Klassiker im Stile eines Goethes tut.
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Naja, ich wollte ja eigentlich auch nicht Rothfuss mit Goethe vergleichen. Ich wollte nur darauf verweisen, dass auch Fantasy stellenweise über den Entertainment-Bereich hinauswachsen kann. Eben ein fliessender Übergang zwischen Unterhaltung und Anspruch.
Volle Zustimmung hier. Ich kenne ja nur den Goldenen Topf, aber grundsätzlich haben wir ja hier dasselbe wie in der High Fantasy: das Streben nach einem Utopia mit einem friendlichen Ever After. Und das romantische Dreieck der Transzendenz ist ja auch heute noch eine Grundlage vieler Bücher. Oder kann als solche gesehen werden. Wenn man denn will.Das bedeutet aber nicht das ihre Werke kein Niveau hätten. Wer mal Elixiere des Teufels oder Sandmann von Hoffmann gelesen hat, weiß das es zwar anders ist als ein Goethe oder Schiller, aber trotz allem ebenso komplex und voller kluger Gedanken.
Edit: fast vergessen. Auch Goethe hat Fantasy geschrieben. Von den romantischen Elementen im Faust mal abgesehen, hat er auch Das Märchen verfasst, das sehr fantastisch daherkommt.
Re: Trivialliteratur oder Kunst?
Tatsächlich würde ich den Herr der Ringe auch nicht auf eine Ebene mit Moby Dick stellen, obwohl ich begeisterter Fantasyleser bin. Vielleicht sieht das in hundert Jahren anders aus, aber bisher ist der Herr der Ringe nur ein Klassiker der Fantasy und noch keine Weltliteratur (meiner Meinung nach). Die Jagd auf den weißen Wal ist älter, zeigt eine spezielle Subkultur, zeigt das Verhalten der Männer untereinander (was teilweise wirklich befremdlich ist, für den homophoben Mann von heute) und beschreibt den Walfang so im Detail, dass es quasi ein Stück Geschichte ist. Der Herr der Ringe auf der anderen Seite ist ganz sicher keine Trivialliteratur und ich würde auf jeden Fall sagen, dass es sich bei den Büchern und der von Tolkien geschaffenen Welt um Kunst handelt, aber ob er jemals zur Weltliteratur zählen wird bezweifle ich. Andererseits verstehe ich bei so manchem Buch, welches eindeutig zur Weltliteratur zählt, nicht warum es dies tut, also besteht vielleicht noch Hoffnung. 
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