Obstdieb hat geschrieben:
Was ist gut daran, dass sich Spiele weg vom Gameplay und hin zur Inszenierung bewegen?
Tun sie nicht, erstmal sowieso nicht so krass wie du es darstellst und 2. nennt man sowas auch Abwechslung.
Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig Fantasie die Leute haben. Als würden Spiele wie TLoU, The Walking Dead, Dear Esther, Heavy Rain usw nur von einer ganz neuen, eigens dafür geschaffenen Klasse von Spielern gespielt werden. Kannst du dir wirklich kein bisschen vorstellen, dass man vorher irgendein Gameplay-Monster gespielt hat, vielleicht sogar im Multiplayer und damit maximaler Herausforderungsstufe, und dann anschliessend ein so gutes Erlebnis wie TLoU spielt, das etwas mehr als nur kompetitive Dauer-Action und etwas anderes bietet? Und wenn so ein Spiel dann auch noch ein richtig guten Job in dieser Hinsicht macht, in das man eintauchen und mitfühlen kann, dann hat es eben alles richtig gemacht und verdient auch entsprechende Anerkennung dafür.
Dass es nicht für jeden so gut funktionieren kann, ist auch klar. Ein Spiel, das wirklich jeder ausnahmslos liebt, muss erst noch erfunden werden, und ich denke die Chancen dafür, dass es sowas überhaupt mal gibt, stehen ungeheuer schlecht ^^
Und fürchterliches Gameplay, so wie manche es hinstellen, hat es auch nicht. Es ist grundsolide, und innerhalb seines Genres vielleicht sogar überdurchschnittlich gut. Das Gunplay funktioniert sogar besser als in den meisten Survival Horror oder Stealth Games, aber immer noch ohne dabei übermächtig und zu actionlastig zu werden (wie es zB bei RE6 der Fall war).
Das Stealth Gameplay ist ebenfalls gut genug für ein Charakter, der kein ausgebildeter Special Agent mit allerlei High-Tech Gadgets und Operator Support wie Sam Fisher und Co ist.
Jede Situation mit Konfliktpotenzial sorgt für Nervenkitzel, weil es innerhalb von Sekunden vorbei sein kann, wenn man nur ein kleinen Fehler macht. Man muss stets abwegen, ob man eine seiner Patronen aus seinem mickrigen Vorrat verbraucht, sein Nagelbrett, ein Messer, ob man ein nach dem anderen stealth-killed, oder einfach versucht vorbei zu schleichen. Wenn man dann aber entdeckt wird, hat man gleich die ganze Horde gegen sich.
Es gibt andere Spiele, die es mit einem Genremix versucht haben, System Shock2 oder Deus Ex und die gelten heute als bedeutende Meilensteine. Obwohl sie weder die besten Shooter ihrer Zeit waren noch die besten RPG-Elemente hatten. Gerade System Shock hatte eigentlich so manche derbe Schwächen und Inkonsistenzen, aber das war alles scheissegal, weil sie eine unheimlich gute Atmosphäre hatten und als Gesamtwerk einfach überzeugten. Sie waren einfach mehr als die Summe ihrer Teile, aber wenn man sie zerlegen würde, so wie es hier teilweise gemacht wird, würden diese grossen Werke der Spielgeschichte auch nicht mehr ganz so toll dastehen.
Aber keine Sorge, dir muss nicht gleich der Hals anschwillen, ich möchte jetzt nicht unbedingt die genannten Spiele alle auf die selbe Stufe stellen. Wobei das aber auch vorrangig an den unterschiedlichen Zeiten liegt. Vor 10 oder 20 Jahren konnte man noch viel leichter revolutionäre Meilensteine kreieren, mit fortschreitender Zeit wird es aber immer schwieriger. Welches Spiel unserer Zeit das Zeug zu einem echten Klassiker hat, kann man eher nach ein paar Jahren entscheiden.
Auch ein Shenmue oder Half-Life hatten einst ihre Kritiker und heute kann kaum jemand die Sequels abwarten.
Die guten, alten LucasArts Adventures, waren spielerisch auch nicht soviel besser als diverse Konkurrenten. Unterm Strich war es halt typisches PointnClick Gedöns, die Geschichten und Charaktere allerdings sind es, wieso wir uns heute so gern mit Verzückung zurückerinnern. Weniger daran wie wir voll krass einen Becher mit Wurzelbier kombiniert haben
Ausgewiesene Stealth-Spiele hatten auch schon immer ihre ganz eigenen spieltechnischen Limitierungen. In Commandos zb hatten die Gegner ganz klar definierte Sichtkegel, du musstest nur 1mm ausserhalb stehen und wurdest nicht entdeckt, obwohl es ja eigentlich so aussah als würde man eindeutig gesehen werden. Die Sam Fishers und Snakes kraxeln auch überall rum, murksen reihenweise Handlanger ab, und keiner der anderen Patrouillen merkt etwas. Selbst in Filmen bedient man sich immer noch diesen total unrealistischen und stark vereinfachten Takedowns.
Aber wenn Joel und Ellie nur hinter einem Sofa kauern und nicht entdeckt werden, dann ist das plötzlich katastrophal und unverzeihlich.
Ich denke, wenn man es schafft sich auf das Spiel einzulassen, und sich gleichzeitig der allgemeingültigen spieltechnischen Limitierungen bewusst ist, die wirklich jedes Spiel betreffen, dann bleibt nicht mehr wirklich viel übrig was man kritisieren kann und man bekommt am Ende ein verdammt gutes Spielerlebnis.
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