4P|T@xtchef hat geschrieben:
Aber dir ist schon klar, dass Reich-Ranicki in seinem Verständnis von Kritik nahezu allen Punkten widersprochen hätte, die du für einen Spieletester empfiehlst? :wink:
Bis auf den Punkt mit der Naivität hätte er mich für meine Vorschläge vermutlich zu Kleinholz polemisiert, stimmt. Wohlwollen war jetzt nicht so unbedingt seine stärkste Tugend, ebenso wie die Wertzuweisung Werk > Kritiker nicht so unbedingt seins war.
Die Literaturkritik konnte ihn aber auch nur deswegen "aushalten", weil sie selbst stärker, größer und älter war als er.
Aber er hat der Literaturkritik eine neue Stimme gegeben und ihr vor allem ein Publikum beschafft, daher erwähnte ich ihn vorhin als etwas "das wir brauchen".
4P|T@xtchef hat geschrieben:
Eine neue Art der Kritik in der Spielepresse, die sich mutig auf eine Meta-Ebene wagt, die abseits all des roboterhaften Geschreibsels über Mechanik, Steuerung und Technik vielleicht nur einen zentralen Punkt der Immersion oder des Spielgefühls fokussieren würde, ist angesichts der "Produkttest-Tradition" dieser Branche erstens nicht so leicht zu schreiben und zweitens schwer verdaulich für den klassischen Leser, der sich eine Wertung abholen will. Zu lange wurden Tests als eine oberflächliche Kaufempfehlung für alle und jeden verfasst. Natürlich trifft die Spielepresse auch eine Schuld, denn sie hat sich dem Trend meist angebiedert, wurde immer unehrlicher und austauschbarer. Aber auch die Käufer und Leser tragen eine Schuld, denn sie verhalten sich selbst schrecklich oberflächlich und konservativ und stützen damit den Status quo.
Deshalb ist der radikale Schnitt für alle Seiten nicht leicht. Wir sind ein Mainstream-Spielemagazin für alle Plattformen.
Das ist wohl so. Hier herrscht eine Co-Abhängigkeit, ein Teufelskreislauf, aus dem man nur gezielt ausbrechen kann. Dieser Ausbruch muss aber seitens der Presse geschehen, nicht seitens des Lesers/Käufers. Der liest und kauft das, was da ist. Weil er ein Fan ist und er das beste nimmt, was er kriegen kann.
Es erfordert Mut und vor allem jemanden, der es einfach mal macht, auch auf die Gefahr hin, damit auf die Schnauze zu fallen.
Möchte man mit einer Produkttest-Tradition brechen, dann muss man genau das tun. So banal das auch klingen mag (und in der Praxis natürlich auch nicht ist).
4P|T@xtchef hat geschrieben:Kann eine geschliffen argumentierte Seite im besten Feuilleton-Stil wirklich besser sein als ein zehnseitiger Test mit 50 Pros und Kontras?
Ein entschiedenes "Ja!".
Einschränkung: Kann, muss nicht. Um das herauszufinden muss man es aber eben auch versuchen und da hakt es bei den Mainstream-Medien ja leider (aus unterschiedlichen, verständlichen Gründen).
4P|T@xtchef hat geschrieben:
Wir befinden uns mit 4Players auf einem Mittelweg, der manchmal inkonsequent und widersprüchlich scheinen mag. Wir rücken das Spielgefühl und das Erlebnis meist in den Vordergrund, können und wollen uns aber aus verschiedenen Gründen nicht von klassischen Analysen zur Technik, Steuerung & Co oder Überresten wie Prozenten oder Pro/Kontra lösen.
Es juckt Dich doch aber genauso wie mich, den Blinker zu setzen und die Spur zu wechseln.
4P|T@xtchef hat geschrieben:
In Amerika ist man schon weiter, was die journalistische Vielfalt betrifft, die natürlich auch die reine Polemik einschließen muss! In der braven deutschen Spielepresse wird dagegen noch recht eintönig und laff rezensiert. Hier gehört nicht der individuelle Akzent, sondern eher der Gleichschritt mit den anderen zum guten Ton.
Nichts gegen gute Polemik, die darf und sollte bisweilen sein. Nicht überall, aber eine Plattform sollte sie bekommen. Wie Du schon sagst, die Vielfalt ist das Wesentliche und da wäre es wünschenswert, den Gleichschritt der deutschen Spielekritik aufzugeben.
Es muss aber jemand den Anfang machen, damit irgendwann einmal Marcel Reich-Ranicki mit Theodor Adorno in der Stiftung Warentest das neue Counter Strike zocken kann und wir alle dabei zuschauen.