Ich habe das Spiel jetzt mit deutscher Textausgabe gespielt, nachdem ich ja monatelang darauf warten durfte.
Zu erst das, was mir nicht so gut gefallen hat: Es gab viel zu viel Inkonsequenz. Ein Spiel, in dem man dermassen mit moralischen Entscheidungen konfrontiert wird, hätte sowohl spielerisch als auch erzählerisch viel nachhaltiger sein müssen. Die meisten Entscheidungen entfalten sich immer nur unmittelbar, daß mal spontan ein Charakter stirbt, aber ansonsten die Geschichte einfach ihren vorbestimmten Lauf nimmt.
Alette zB war für mich ein sehr einfühlsamer Charakter, die zu Anfang des Spiels über moralische Vergehen gemeckert hat. Ich hatte mich als ihr Vater natürlich bemüht sie nicht zu enttäuschen. Allerdings befürchtete ich am Ende das Spiel nicht mehr zu schaffen, wenn ich keine unmoralischen Entscheidungen mehr treffe, zB das blutige Niederschlagen eines Aufstandes. Alette störte das aber überhaupt nicht mehr, obwohl sie dabei war. Sie nahm es kommentarlos hin und sprach später ihrem Vater noch vollste Bewunderung aus.
Ebenso hätte man Szenario und Geschichte viel stärker miteinander verweben müssen. Warum erfährt zB so wenig über die Vorgeschichte dieser Spielwelt? Die Götter sind doch tot. Da müsste man doch erklären, warum sie tot sind, wie dieses weltverändernde Ereignis, welches nicht einmal allzu lange her zu sein schien, zustande kam und was das für die Lebewesen in dieser Spielwelt letztendlich bedeutet.
Es wird immer wieder gesagt, daß die Sonne stehen geblieben ist. Es gibt keine Nacht mehr. Aber man hat trotzdem so gut wie fast keine erzählerischen Auswirkungen. Wie ergeht es denn den Menschen und Varl mit ewiger Helligkeit? Gibt es da nicht welche, die deswegen durchdrehen? Hat das keine Auswirkung auf Fauna, Flora, Tierwelt?
Bislang sind lediglich die Götter tot und die Sonne ist stehengeblieben, aber der Rest der Welt scheint seinen gewohnten Lauf zu nehmen.
Genauso hätte ich mich gefreut etwas mehr über die einzelnen Charaktere zu erfahren. Gerade zum Ende hin kommen alle Überlebenden irgendwie zusammen, man kann auch in einer Partie miteinander kämpfen, aber man kann nicht einzelne Figuren in einen Dialog miteinander treten lassen. Wann man mit einer Figur reden darf, und wer überhaupt mit wem reden darf, bestimmt immer das Spiel. In der Charakterinteraktion hätte ich mir sehr viel mehr Freiheiten gewünscht. Das ist nicht unbedingt zeitgemäß.
Auch habe nicht kapiert, wozu die Anzahl der Clanmitglieder gut ist. Ich habe immer viele Vorräte eingekauft, damit mir bloss niemand stirbt, aber selbst wenn jemand stirbt, welche Folgen hat das? In der Geschichte des Spiels geht es doch sowieso um viel mehr als ein paar lausige Bauern überleben zu lassen. Also hätte ich die theoretisch auch alle sterben lassen können, mir eine Menge Ärger erspart und mich eher auf die wichtigen Schlachten konzentrieren können.
Nun gut, kommen wir zu den positiven Seiten. Das Kampfsystem ist nicht unbedingt das ausgefeilteste KS, daß ich bisher erleben durfte, aber es erfüllt seinen Zweck. Es ist einigermaßen innovativ und bietet taktische Herausforderungen, die ich in der speziellen Form in einem Videospiel so noch nicht unbedingt erlebt habe. Dadurch, daß man storymäßig immer wieder in unbequeme Kämpfe gesteckt wird, ist man oftmals auch zu langen Überlegungen gezwungen, wie es überhaupt möglich wäre einen Kampf erfolgreich abzuschliessen. Das Kampfsystem ist zwar schlicht und erlaubt hinterher nicht allzu viel Komplexität, aber da das Spiel sowieso eher story- als kampfbasiert ist, stört das auch nicht wirklich. Die Kämpfe sind anspruchsvoll und spannend gewesen.
Das Szenario und die ganze Inszenierung finde ich überaus gelungen. Die ruhige Comicdarstellung ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, weiß aber Atmossphäre zu erzeugen und Stimmung einzufangen. Das ist manchmal mehr wert, als überteuerte, perfekt animierte Zwischensequenzen, die keinen Raum mehr für Fantasie lassen. Und Fantasie braucht man in diesem Spiel eine Menge, denn es gibt viele interessante Dinge zu erleben. Mir gefällt die Welt, wie Varl und Menschen miteinander umgehen, welche Geschichten sie über Kriege oder ihre verstorbenen Götter zu erzählen haben, welche Gegensätze und Gemeinsamkeiten sie haben, mir gefallen die Antagonisten, die nicht einfach nur Böse sind wie bei High Fantasy meist üblich, sondern als lebendige, andersartige Kultur geschildert werden und man teilweise sogar Mitleid mit ihnen haben muss. Mir gefällt, daß Magier dort noch wirklich mysteriös und elitär wirken und nicht an jeder Wegkreuzung jemand auftaucht, der Feuerbälle vom Himmel fallen lassen kann. Mir hat es auch immer wieder gefallen mit der Karawane unterwegs zu sein, in gespannter Erwartung welches Unheil als nächstes meinen Weg kreuzt, immer auf der Flucht vor gewaltigen Wüterarmeen und mit wunderschöner Begleitmusik. An Spannung hat es dem Spiel wirklich nicht gemangelt.
Trotz aller inhaltlicher und handwerklicher Mängel fand ich war "Banner Saga" immer noch ein gutes, faszinierendes Spiel. Der große Wurf ist es wahrlich nicht, aber so schlecht wie einige Vorredner meinten, ist das Spiel nun auch wieder nicht
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Man könnte vielleicht über den etwas dürftigen Inhalt noch meckern, aber nur wenn man unterschlägt, daß es sich hierbei nicht um einen Vollpreistitel handelt.
Ich fand das Gebotene für den Preis mehr als in Ordnung. Es ist ein frisches, andersartiges Spiel, was sich sehr von anderen Spielen in der letzten Zeit abzuheben weiß. Manches gelingt nicht so gut, anderes dafür umso besser. Ich freue mich jedenfalls auf weitere Episoden (mit deutscher Übersetzung
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), da ich unbedingt wissen möchte, wie die Erzählung weiter geht. Zumindest dieses Gefühl hatte ich in der letzten Zeit nicht mehr bei Videospielen gehabt.
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