Temeter hat geschrieben:Zuerst mal eine Frage an die Leute, die das Spiel schon durch haben. Außerdem Achtung, könnte einen gewissen Spoiler für alle enthalten, die noch nicht den hässlichsten Mann der Welt geheilt haben. :wink:
Atm bin ich bei der Mission, Mitschreiter zu sammeln, um dann Ciri in Kaer Morhen gegen die wilde Jagd zu verteidigen (Brother in Arms/Isle of Mist-Missionen).
Die Sache ist, atm will ich erstmal die Massen an Nebenquests abarbeiten ( auch wenn es 'Arbeit' bei dieser Qualität nicht wirklich trifft), bevor die Story zuende geht, ohne diesen Hintergrund sind Spiele oft weniger spannen. Nur gibts selbst ohne die Skelliger Quests massig in Velen zu tun, inklusive Quests um die Level 30. Von Skellige ganz zu schweigen...
Mir gehts weniger darum, wie lange es exakt nach Kaer Morhens Verteidigung weitergeht (wäre imo ein bischen spoilerisch), aber ist das die finale Mission des Spiels? Wirkt auf mich von der Aufmachung her ein bischen wie die letzte 'Last Stand Mission' anderer Spiele wie Mass Effect.
Oder geht die Hauptgeschichte noch ein bischen weiter, so dass ich auch nach der Verteidigung in Morhen noch schön weiter questen und später den Main Arc fortsetzen kann?
Und nun mal eine vorläufige Perspektive nach 50+ Stunden Spielzeit, die vielleicht für einige interessant sein mag:
Kurz gefasst, das Spiel ist geil. Es ist nicht nur schön zu sehen, wie sich die Serie weiterentwickelt hat: Wirkte Witcher 1 noch wie das etwas ambitionierte und dennoch gehaltvolle Werk eines unerfahrenen Entwicklers, der zweite wie eine auf das wichtigste konzentrierte Fortsetzung, haben wir hier wohl ein waschechtes, wenn auch frühes Magnum Opus, welches schwer zu übertreffen sein sollte.
Lang gefasst, PR Unsinn hin oder her, wenigstens für mich ist Witcher 3 eins der besten RPGs, die ich je gespielt habe. Für ein Spiel ist es einfach unglaublich gut geschrieben, hier werden Qualitäten aufgefahren, die man in dessen besten Momenten sogar eher im höherwertigen literarischen Bereich erwarten würde. Dort erreicht es ein völlig anderes Level als beispielsweise Bioware-Produktionen. Fast jeder kleine Quest hat ein teils einzigartiges Ensemble an Charachteren mit eigenen Motivationen, seine Wendungen und Entscheidungen, wie mit ihnen umgegangen wird. Alles im klassischen Witcher-Stil, in dem Gut und Böse einfach nicht existieren.
Und damit habe ich nicht einmal die Hauptquests angesprochen, welche einfach erstklassig gemacht sind. Als ich zuerst das Muster erkannt habe, sind meine Erwartungen erstmal ins bodenlose gerutscht, weil so eine passive Story-Aufmachung einem wirklich die Motivation zerschießen kann. Aber einfach alles in diesem Spiel ist so interessant gemacht, dass solche Gedanken erst gar nicht aufkommen, ganz zu schweigen das man in der Tat etwas von Ciri zu sehen bekommt, was als Kenner der Bücher ein toller Bonus ist! Und abseits Ciri... Nun, einige hier haben den blutigen Baron schon erwähnt. Holy Shit, das ist nicht nur eine der ambitioniertesten Stories, die man in einem Spiel bestaunen konnte, und auch eine der mutigsten. Die Leutchen bei CDP Red machen keine halben Sachen.
Vom Kampsystem her war ich anfangs ein bischen enttäuscht, es fühlte sich immer noch dezent schwammig an. Wenn man aber den Dreh raus hat, gibt es hier ein sehr viel feineres und skillbasierteres Kampfsystem als in den Vorgängern, auch die Animationen der Gegner sind zumeist erstaunlich gut abgestimmt und lassen Zeit zum reagieren. Und dort ist insbesondere der leichte Ausweichschritt ist ein absolut zentrales Element im Kampf.
Selbst höherlevellige Feinde lassen sich besiegen, Aufmerksamkeit, Gefühl, sowie geschicktem Einsatz von Ausrüstung, Tränken und Magie vorrausgesetzt. Es ist definitiv kein Dark Souls, aber in den besten Momenten zeigt sich, dass die Entwickler ihre Lehren aus den Vorgängern gezogen haben. Sehr schön zu sehen, das macht die Belohnungen deiner Missionen und das konstante Upgrading nur noch motivierender. In einem Spiel welches, meiner Meinung nach, allein schon von seinen grandiosen Geschichten hervorragend leben könnte.
Auf der Technik-Seite gibt es teils gewisse Probleme, wie zum Beispiel etwas zögerliches nachladen oder kleine Ruckler beim schnellen reisen. Zumeist beschränlen sich diese Vorfälle aber auf Städte. Ansonsten hatte ich kleinere Bugs, die allerdings wenig Auswirkung hatten und Gameplay oder Story nie beeinflussten. Schlimmste Fall war ein Dorfhändler, der sich nicht ansprechen ließ.
Andererseits ist die Open World unheimlich beeindruckend. Vegetationsdichte, Weitsicht und die Masse an kleinen Details ist selbst auf mittleren Einstellungen, und damit werden angesichts der Hardwareanforderungen wohl viele Vorlieb nehmen müssen, einfach unglaublich. Von den Rauen Ecken eines Far Cry 3 oder Skyrims, welche nicht ganz ihre künstliche Natur verbergen können, findet sich in Witcher 3 kaum eine Spur - abseits des Nachladeproblems. Gleichzeitig ist die Größe und Detailverliebtheit der Städte einmalig, insbesondere, da absolute
alle Innenräume und Höhlen keine Nachladezeiten besitzen. So etwas habe ich noch nie in einem Spiel gesehen, nicht mal Ansatzweise.
Als Open World Spiel setzt es dazu Maßstäbe, auch wenn man wohl dazusagen sollte, dass es sich im Kern um zwei schlichtweg gewaltige und prallgefüllte Hauptgebiete geht, weniger eine einzige verbundene Welt. Dennoch ist der Umfang eindrucksvoll. Nicht nur in der Quantität, das hatten wir in vielen OW Spielen, sondern auch in der Qualität. Nach Skyrim hatte ich einfach angenommen, es wäre kaum möglich, bei so vielen Quests und einer offenen Welt selbst den kleinsten Charachteren kleine Geschichten zu geben. Jeden Teil der Welt irgendwie natürlich und einzigartig wirken zu lassen. Sandboxartige Spiele wie GTA, Far Cry 2+ und Assassins Creed machten den Eindruck, so große Gebiete ließen sich nicht ohne zusammenhangslose Gimmicks oder die inhärente Absurdität füllen, welche jeder kennen sollte, der mal gedankenlos durch die Straßen eines GTAs gefahren ist.
In diesem Bereich schlägt Witcher 3 wirklich alles vorhergewesene. Alles fühlt sich praktisch genauso glaubwürdig an, wie es das Spiel in einem Singleplayer-Schlauch getan hätte. Vielleicht sogar noch ein bischen mehr.
Nun, nach der Wall of Text ist es wohl wenig überraschen, dass ich hellauf begeistert bin. So ein in fast jeder Hinzicht überzeugendes Spiel habe ich lange nicht mehr gesehen: Grandiose Story, vielschichtige Nebenquests, komplexe Charachtere, durchdachtes Kampfsystem, unheimlich reiche Open World, eindrucksvolle Technik, und nicht zuletzt eine mutige Abkehr von simplen Heldengeschichten, die man nicht so schnell vergisst. Ich wäre doch arg überrascht, wenn irgendein Spiel dieses Jahr nur im entferntesten an diese Qualität ranreichen würde.