Die Welt, in der der Film spielt, ist in ein "oben" und in ein "unten" aufgeteilt, und bei dieser Aufteilung spielt die Rasse keine Rolle, schließlich befinden sich in beiden Bereichen Menschen unterschiedlicher Ethnien und zwischen Ihnen werden keine Unterschiede gemacht.
Diese Bereiche funktionieren sowohl auf Makro- als auf Mikroebene:
Die "Tethered", also die Menschen, die unterhalb der Oberfläche leben, stellen den "Schmutz" der Gesellschaft dar, etwas, das diese gerne ignoriert, unter den Teppich kehrt. Aus psychologischer Sicht stehen sie für eine Art Es, also von Trieben gesteuerte Wesen, die noch kein eigenes Bewusstsein entwickelt haben. Deswegen machen auch die Eigenarten der Doppelgänger Sinn; das sieht man z.B. gut an den Doppelgängern des weißen Paares: der prahlerische Mann und die Frau, die sehr unsicher ist und unbedingt gefallen will, während ihre Doppelgängerin an der Oberfläche gerne die unabhängige, starke Frau gibt. Es handelt sich also um Charakterschwächen, die die jeweiligen "zivilisierten" Personen unterdrücken oder zumindest mit der Zeit in den Griff bekommen haben, so dass sie nicht aus ihnen herausströmen, wie bei ihren "unzivilisierten" Spiegelbildern.
Noch deutlicher wird dies am Sohn der schwarzen Familie, der jüngsten Figur: der Junge ist gerade dabei, erwachsen zu werden, tendiert aber immer wieder zum Kindlichen, deswegen gibt es mehr offensichtliche Gemeinsamkeiten zwischen ihm und seinem Doppelgänger, Momente, in denen sie sich verstehen und sogar eins sind: als der eine den anderen dazu bringt, zu verbrennen.
Was die Protagonistin angeht:
ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was an Adelaides Verhalten keinen Sinn machen soll.
Ihre triebgesteuerte Version hat an der Oberfläche das Tierhafte abgelegt, gelernt sich zu artikulieren, ist zu einer erwachsenen Frau geworden und hat eine Familie gegründet. Ihre Vergangenheit hat sie während dieses Prozesses in ihrem Unterbewusstsein vergraben. Jedoch nicht tief genug, denn es versucht durchzudringen, als sie an den Ort zurückkehrt, an dem sie ihren neuen Platz eingenommen hat. Das Schuldgefühl und die Angst, das Leben zu verlieren, dass sie sich aufgebaut hat, nagen an ihr. Das Menschliche, die Liebe zu ihrer Familie, behält jedoch die Oberhand...bis zu dem Moment, als sie ihre Doppelgängerin erdrosselt; in diesem Moment tritt das Tierhafte wieder hervor: sie gibt die unmenschlichen Laute von sich, die man von den Tethered hört.
Ich hoffe, ich habe dir jetzt nicht bloß erzählt, was du sowieso bereits festgestellt hast und somit deine Zeit verschwendet.
Und sorry für den wall of text.
Hereditary habe ich gesehen. Der Film hat mir trotz des starken, ersten Drittels(?), der gelungenen Atmosphäre und des interessanten Puppenhaus-Konzepts nicht gefallen. Grund dafür: einige arg cheesige Gruselelemente und die mMn bescheuerte Auflösung (sorry).
Da hat mir Netflix` imo ähnlich angelegtes, aber mMn plausibleres "The Haunting of Hill House" deutlich besser gefallen.
Hast du die Serie gesehen?