nawarI hat geschrieben: ↑19.02.2020 10:54Mal kurz ne Gegenfrage: Wer möchte denn, dass die Szene ungeändert so drinnen bleibt? Bitte mit Erklärung wieso und was das bringen würde.
Es geht ja eben gar nicht wirklich um die Szene, sondern darum, dass einige ein Problem damit haben, wenn man Inhalte auf Drängen einer Gruppe ändert, die man selbst nicht akzeptiert. Das sind dann in diesem Fall die "SJWs", die die Gesellschaft mit totaler Zensur und Unterdrückung zerstören wollten. Natürlich ist das ein konstruiertes Feindbild bzw. wird höchstens von einigen wenigen radikalen Hardlinern vertreten. Am Ende ist dann "Feminist" ein Schimpfwort und man hat einen wunderbaren Weg gefunden, durch Strohmänner sämtliche Kritik mundtot zu machen. Wenn ich schon Satzeinstiege lese wie "Ich bin keine Feministin, aber..." dann sehe ich, dass diese Strategie Erfolg hat.
Oft genug treten neben rhetorisch begabten anwaltartig formulierenden Leuten eben auch die zum Vorschein, die ganz unverhohlen ihre wahren Motive preisgeben. Man kann hier gar nicht zu einem Ergebnis gelangen, solange die Aufmerksamkeit auf eine Beweispflicht gelenkt wird, warum eine konkrete Szene nun homophob sein soll. Man findet immer irgendwelche Erklärungen. Man wisse nicht, wie die Entwickler das selbst gemeint hätten und dann hat man noch die Schwulen selbst, die damit kein Problem hätten, also steht die ganze Kritik schon infrage. Das alles lenkt von der eigentlich zentralen Frage ab, was allein schon die Notwendigkeit dieser Debatte über uns als Gesellschaft aussagt.
Warum müssen Minderheiten immer erst gegen einen Berg an Widerstand laufen, ehe sie nach Jahren oder Jahrzehnten wie der stete Tropfen Wasser endlich signifikante Fortschritte machen in der Art und Weise, wie die Gesellschaft sie behandelt? Da hapert es mir schon von vornherein an einer humanistischeren und empathischeren Grundeinstellung anderen Menschen gegenüber. Anstatt einer Bereitschaft zum Zuhören und zum Verstehen wird erst mal alles abgewiegelt was nur geht, so lange wie möglich. Wie lange mussten homosexuelle Menschen warten, rechtlich gleichgestellt zu sein und überhaupt nicht mehr kriminalisiert zu werden? Wie viel Arbeit steckte dahinter, dass trans Personen ihren Namen und Personenstand rechtlich ändern können? Wie lange mussten Frauen für Wahlrecht kämpfen? Oder anders gefragt: Wie lange wurden den Menschen das alles zugemutet, nicht zu ihrem Recht zu kommen? Hinterher ist man immer klüger, heißt es, aber man sollte diese Erkenntnis auch beim Denken in die Zukunft anwenden und sich fragen, ob man weiterhin bei allem immer erst mal blockieren muss, bis etwas schon fast zu einer Revolte führt (Stonewall).
Meine Kritik richtet sich nicht gegen eine einzelne dumme Szene in einem dummen Spiel. Meine Kritik richtet sich gegen das Mindset, das solche Szenen offenbaren und das viele gar nicht als solches Mindset erkennen bei ihrer Betrachtung. Das hat mit Privilegien und blinden Flecken in der eigenen Wahrnehmung der Welt zu tun.
Wir müssen auch mal damit aufhören, immer Gruppen gegeneinander zu stellen. Es geht nicht um Männer gegen Frauen oder Heten gegen Homos. Viele fühlen sich ja gleich auf den Schlips getreten und in Sippenhaft gesteckt, wenn man eben von weißen heterosexuellen cis Männern spricht, aber dabei geht es nur darum, die jeweiligen (!) Machtverhältnisse und Privilegien aufzuzeigen. Niemand ist dabei nur privilegiert oder hat gar keine Privilegien. Das ist ja, was das Intersektionalitätskonzept im Feminismus inzwischen beschreibt. So ist ein Mann gegenüber Frauen meist privilegiert, weil er ein Mann ist, aber ist mit dunkler Hautfarbe gegenüber einer weißen Frau ggf. weniger privilegiert. Jemand könnte männlich, weiß, hetero und cis sein, sitzt aber im Rollstuhl und erfährt daher Diskriminierung. Auch Alter kann den Verlust von Privilegien darstellen oder auch Schönheit bedeutet Privilegien. "Check your privilege" soll also vor allem darauf aufmerksam machen, wo man selbst auch blinde Flecken hat bei der Wahrnehmung von Problemen, die andere Menschen haben. Das gefällt mir auch an Männern, die feministische Kritik nicht persönlich nehmen und sich als Mann nicht pauschal an den Pranger gestellt sehen, sondern sich selbst an ihrem eigenen Verhalten messen und die Kritik stehen lassen können, die sich eben auf die strukturelle und gesamtgesellschaftliche Ebene bezieht. Man kann sagen: Je mehr Privilegien man hat, desto eher übersieht man, wie anderen Menschen diese fehlen. Wenn man darauf hingewiesen wird, kann man trotzig reagieren und alles abstreiten, oder man kann das ernst nehmen und auch beim eigenen Verhalten Verbesserungspotenzial sehen.