@Doc Angelo: Ich für meinen Teil habe ähnliche Erfahrungen, allerdings generell rund um den IT-Bereich, gemacht. Bei mir war es so, dass mir bereits in recht jungen Jahren schleichend eingetrichtert wurde, dass "Computer" doch keine Arbeit sei, da die Leute sich im Grunde mit etwas beschäftigen, was ihnen Spaß mache und die Zeit vertreibt - kein Witz! Und leider bin ich in die gedankliche Falle geraten, dass ich mich irgendwo besonders "beweisen" müsste in der Arbeit, mich besonders reinhängen und zur Not alle Sachen, die den Kopf auch nur temporär freikriegt, lassen soll. Weil, ist ja keine wirkliche Arbeit und daher nicht viel wert (dachte ich wirklich, völlig unabhängig meiner wirklichen Leistung)... Dass diese Einstellung auch nicht sonderlich förderlich für die Psyche, den Selbstwert und schlussendlich auch auf die Arbeitsleistung ist, brauche ich wahrscheinlich auch keinem erzählen, der selbst mal Depression und/oder Burnout hatte^^. (Und ich habe viele Therapiestunden hinter mir, dass ich das mittlerweile so einigermaßen erkennen, geschweigedenn auch offen sagen kann...)
Und speziell in der Dev-Branche - und da nochmal ganz speziell die Gaming-Branche - kotzt es mich massiv an, dass hier die gleichen Rechtfertigungen (denn nichts anderes ist es in meinen Augen) vonseiten der Chefetage genutzt werden, um Crunch zu relativieren.
Ich bin da mittlerweile bei folgender Überzeugung: Selbst wenn man seinen Traumjob und seine Passion gefunden hat, irgendwann braucht der Körper Ruhephasen. Ich hab meine Passion gefunden und mich trotzdem in einem Zustand abgerackert, den ich im Nachhinein meinem ärgsten Feind nicht wünsche.
Und meine Befürchtung in der Gaming-Branche ist, dass genau diese Argumentation der "Passion" weitergeführt wird, eventuell sogar mit einer scheinheiligen Begründung der Marke "wir machen Spiele für Kinder, mit Blumen und Regenbogen und Einhörnern, davon wird keiner krank. Also können wir die Mitarbeiter weiter in den Crunch schicken, schaut welche Passion sie dabei entwickeln...". Natürlich jetzt absichtlich karikativ ausgedrückt um den Punkt zeigen zu können, um den es mir geht.
Firmen haben einen betriebswirtschaftlichen Grund, den Crunch so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Offensichtlich kostet es weniger, Leute z.T. permanent crunchen zu lassen, als für fairere Arbeitsbedingungen zu sorgen (sonst wäre Crunch nicht so verbreitet in der Branche). Vielleicht bin ich da zu pessimistisch eingestellt, dennoch halte ich es für weit wahrscheinlicher, dass die Firmen zuerst versuchen, mit ebenjener "Passion"-Begründung den Crunch so lange wie möglich aufrechterhalten wollen, bevor die Mitarbeiter fairer behandelt werden.
Ich halte die Gaming-Branche und AAA-Branche für so dreist, dass sie das tun. Gerade weil auf Dev-Ebene diese Branche voll von Leuten ist, die ihre Seele dem Teufel verpfänden würden, wenn sie dafür an einem AAA-Spiel arbeiten dürfen... Und das wissen Leute aus der Chefetage.
Und ja: Deshalb halte ich eine Diskussion darum, was am Ende des Crunchens herauskommt, für eine Nebelkerze (die von Firmen genutzt werden könnten). Ich bin sogar wirklich bei dir, wenn du sagst, dass manche Menschen mit manchen Themen (wie eben Gewaltdarstellung) schlechter umgehen können, und erst recht schlechter bei einem Crunch damit umgehen können als, sagen wir, ein Mitarbeiter mit einer ähnlich stabilen Psyche, der aber stattdessen sein Lieblingsthema durchcrunchen darf. Aber auch dieser Mitarbeiter ruiniert sich auf Dauer seine Gesundheit, wenn er monatelang 18 Stunden am Tag arbeitet und danach 5 Stunden im Bürostuhl oder unterm Schreibtisch schläft... (das mit den 5 Stunden ist leider keine Übertreibung meinerseits, entsprechende Berichte dazu gabs IIRC bei Rockstar damals...)
Dann werfen wir noch Brannigan in den Raum, der relativ unverblümt mitteilt, dass ihm das Thema Crunch offensichtlich garnicht interessiert und stattdessen die Leistungen bemängelt, und man hat einen Forenteilnehmer wie mich, der da "etwas" säuerlich drauf reagiert^^.
Aber ich seh schon, in Zukunft muss ich sowas genauer kommunizieren, bevor ich (zugegeben, zu) stinkig werde und darf mich da nicht so mitreißen lassen^^. Sorry für meinen recht harschen Tonfall von vorhin^^.
Crunch, schlechte Arbeitsbedingungen und Sonys tiefe Taschen bei Naughty Dog (The Last of Us Part 2)
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