Sinatra hat geschrieben: ↑29.06.2020 12:40"Hälfte" ist in der Forschung auch eher ein Platzhalter für "wir können es noch nicht genau genug bestimmen", aber dass die Genetik einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten hat, ist, wie gesagt, eigentlich ganz gut erforscht.
Der aktuelle Konsens ist meinem Empfinden nach nicht, daß die Genetik einen Einfluss auf das Verhalten hat - also nur für sich. Es gilt vielmehr die Interaktion zwischen Genetik und Umwelt. Die Genetik schafft Grundlagen, aber erst in Interaktion mit der Umwelt - also etwa Erziehung, soziales Umfeld, Peer-Group usw. - formt sich dann der individuelle Mensch. Stichwort Epigenetik und Gen-Umwelt-Interaktion.
Ernstzunehmende Forschung verläßt sich darüber hinaus auch niemals auf nur den einen Faktor "Geschlecht".
D.h. wenn untersucht und dann festgestellt wird, daß Frauen grundsätzlich andere Jobs annehmen als Männer, dann kann man sich natürlich damit begnügen und sagen: "Der Faktor Geschlecht erklärt die Varianz ausreichend."
Aber solch eine Studie wird meines Erachtens nicht wirklich Erfolg in der Wissenschaftswelt haben, da eines der Lieblingswörter in der Psychologie nun einmal "multifaktoriell" ist. Zumal das biologische Geschlecht so wie etwas das Alter in den meisten Fällen auch zusammengefaßt wird zu grundlegenden, aber nicht zwangsläufig entscheidenden Faktoren.
D.h. es wird natürlich die Ebene bzw. die Ebenen über dem Geschlecht untersucht. Bzw. die Frage, welche Rahmenbedingungen dazu führen, daß ausgerechnet das biologische Geschlecht ein Distinktionsmerkmal sein soll.
Und da kommt eben auch und vor allem die Interaktionstheorie ins Spiel.
Kurz: Nein, das Geschlecht ist nicht unbedingt entscheidend. Höchstens mitentscheidend. Erst wenn die Umweltfaktoren exakt gleich wären, könnte man verläßliche Angaben darüber machen, inwiefern die Genetik z.B. die Jobauswahl prägt. Und dann könnte man sich darüber Gedanken machen, welche Rolle das Geschlecht dabei spielt.