Oberflächlich betrachtet ein weiteres Freemium-Facebook/Browser-MMO, das angesichts seiner Ununterscheidbarkeit mit abertausenden anderen Genrevertretern wohl aus einer Klonfabrik zu stammen scheint, doch bei genauerem Hinsehen tut sich ein Abgrund auf, der selbst mit Robokumparsen und Greifarm nicht zu erkunden wäre. So etwa wird man direkt beim Spielstart mit dem Charaktererstellungsbildschirm begrüßt - und zwar einem samt Countdown!
Schafft man es nicht innerhalb von 30 Sekunden, sich einen Charakter zu erstellen, wird man mit der erstbesten angewählten Klasse sowie einer zufällig gewählten Namenskombination direkt ins Spiel geworfen. Glücklicherweise stehen nur vier Klassen ohne jedwede Einstellungsmöglichkeit hinsichtlich Geschlecht, Rasse, etc. pp. zur Verfügung, sodass die Wahl nicht allzu lange dauern sollte. Wie diese Klassen heißen oder was die machen, kann ich übrigens nicht sagen, das hat das Spiel beim Erstellungsbildschirm irgendwie vergessen zu erwähnen ...
Sodann, auf in's Abenteuer, bei dem man gleich zu Beginn von freundlich dreinblickenden Ritterwächtern / Wächterrittern begrüßt wird:
Die Framerate humpelt bisweilen im einstelligen Bereich vor sich hin - was jedoch bekanntlich nur bedingt ein Problem darstellt, denn ein halbes Auge nimmt ohnehin nicht mehr als sechs Bilder pro Sekunde wahr - die Animationen der Sprites sind zwei-, mit Glück manchmal auch dreistufig, dennoch liegt die CPU-Auslastung bei weit über 50%. Vielleicht ein Zeichen für innere Schönheit? Oder doch nur für einen fleißigen Minion, welcher derweil tief unten im Bergwerksstollen Digitalwährungen abbaut?
Mit solchen Fragestellungen braucht sich der Abenteurer von heute jedenfalls nicht rumzuschlagen. Ebenso auch nicht mit nervigen Dialogen, denn auch diese verfügen über einen automatisch ablaufenden Timer:
So mache ich während des Dialogfensters eine kurze Kaffeepause, und ward schon beim Wiederkehren vom Bauern zum heiligen Drachenritter aufgestiegen -
Yippie!
Nach kurzen Klick auf das Bestätigungsfeld - begleitet natürlich von Konfetti und Siegesfanfaren - eilt mein Recke sogleich automatisch zum nächsten NPC, wo nach abermaligen Klick auf den Button - noch mehr Konfetti und noch mehr Siegesfanfaren - er zum nächsten NPC hechtet, ein automatisch abspielendes Dialogfenster läuft, abermals auf Bestätigen klicken - Siegesfanfaren, Konfetti, das übliche halt - zum nächsten NPC, ein Level Up erhält - dieses mal mit Siegesfanfaren und Konfetti und Glitzereffekten und Feuerwerk - zum nächsten NPC hechtet und ... oha, ein Kampf steht an!
Die Grünhäute hatten natürlich keine Chance gegen meine passiv-aggressive Taktik!
(Oder anders ausgedrückt: Ich habe 30 Sekunden lang nichts getan und gewonnen.)
Sodann, noch ein Level Up, noch ein Kampf und ... Huch, die beiden Burschen kommen mir irgendwie bekannt vor:
Während ich diese Zeilen verfasse, habe ich versehentlich nebenbei den Gebiets-Boss namens 'Dragon of Life' (wahrscheinlich der Cousin 2. Grades von Todesschwinge) bezwungen. So gibt es an dieser Stelle leider keinen Screenshot des aufsehenerregenden Kampfes, nur ein Abschiedsfoto:
Oh fast vergessen, natürlich gibt es auch Währung zu erwerben. Am empfehlenswertesten ist hierbei das Paket für $299,99 (nur heute mit 25% gratis dazu und natürlich nur solange der Vorrat reicht):
Die Befürchtungen einiger Spieler im Hinblick auf Itemshops kann ich ruhigen Gewissens zerstreuen. Dies artet mitnichten in Pay-to-Win-Lootboxen aus, denn es gibt zum einem keine Lootboxen, sondern nur ehrlich und direkt erwerbbare Angriffsstärke:
Zum anderem gewinnt man ja als Itemshop-Nutzer nicht automatisch, sondern es entscheidet natürlich vor allem der eigene Skill.
Damit komme ich auch schon zum Resümee:
Dragon Glory ist quasi das Cuphead unter den Dark Souls, ein halbrundenbasiertes Massively-Multiplayer-Online-Action-Taktik-RPG, das stets fordert, jedoch nie überfordert. Wegen kleinerer Mängel haderte ich lange mit der Wertungsfindung, jedoch entschied ich mich schlussendlich für ein wohlwollendes halbes Prozent.