Kant ist tot! hat geschrieben: ↑06.04.2020 13:02Findest du jegliche Art sexualisierter Darstellung schlecht, oder nur eine gewisse Unausgewogenheit?
Also sexualisierte Darstellung finde ich grundsätzlich schlecht. Denn Sexualisierung reduziert einen Menschen und wertet ihn ab. Ich habe hingegen nichts dagegen, wenn Figuren attraktiv oder sexy sind. Der Begriff "sexualisiert" sagt ja, dass da etwas mit den Figuren gemacht wurde: Sie wurden sexualisiert - von jemand anderem zu etwas gemacht, das eine sexuelle Funktion erfüllen soll. Das ist etwas ganz anderes, als eine Figur attraktiv darzustellen, dies aber glaubwürdig als Teil der Figur zu zeigen, der man auch abnimmt, sich selbst so zeigen zu wollen. Die halbnackten "Waifus" mit Riesenbrüsten und ständigem Blick unter den Rock sind alles andere als glaubwürdig und selbstbestimmt sexy. Im Gegenteil, es gehört ja oft dazu, dass man sieht, wie sie sich schämen, dass man sie so anzüglich zu Gesicht bekommt. Sie sind im Grunde reine Sexobjekte, die nur dem... Entertainment des (männlichen) Publikums dienen. Für mich wirken diese Riesenbrüste auch wie ein Fremdkörper. Sie passen nicht in die innere Logik des Spielgeschehens. Sie existieren im Grunde nur für den Blick von außen als "Fan-Service".
Was macht das nun mit den Spielern? Ich bemerke zumindest immer wieder, wie männliche Spieler der Ansicht sind, dass Frauen in Videospielen vorrangig zu solchen Zwecken existieren und nicht z.B. als Identifikationsfiguren für weibliche Spielerinnen. Erschrocken stelle ich immer wieder fest, dass das in den Diskussionen nicht mal in Erwägung gezogen wird, sondern automatisch davon ausgegangen wird, dass jemand, der sich z.B. einen weiblichen Charakter wünscht, ja ein (männlicher) Weirdo sein müsse, der der Figur nur auf den Hintern glotzen wollte. Daran, dass es auch weibliche Spielerinnen gibt, denkt offenbar niemand. So tief geht diese Selbstverständlichkeit, mit der Männer ihr Hobby wahrnehmen, als etwas, das für sie gemacht wurde. Und das ist es eben, mit dem ich ein echtes Problem habe. Mir fehlt da echt das Problembewusstsein. Und mich stinkt diese Sichtweise, dass Frauen in Spielen vor allem Männern gefallen sollen, richtig an.
Ich selbst spiele auch lieber eine attraktive Frau, aber wichtig ist mir dabei, dass sie eben nicht zur einer Sexpuppe für den Spieler wird. Gutes Beispiel ist Lara Croft. Die alte Lara war diese typische Sexpuppe. Allein schon manche Kameraperspektiven haben das ganz deutlich gemacht. Sie war nicht umsonst damals als Pin-up-Poster in Magazinen zu finden. Die neue Reboot-Lara hingegen ist immer noch sehr attraktiv, aber sie wirkt einfach wie ein Mensch und nicht wie eine Puppe, die nur zum Vergnügen notgeiler Teenager existiert. Sie hat immer noch eine tolle Figur und ein hübsches Gesicht und hat nach wie vor sichtbare Brüste, aber die Art, wie sie nun dargestellt wird, ist absolut in Ordnung. So sehen Frauen auch aus und kleiden sich auch so. Damit kann man sich dann auch als Frau besser identifizieren oder sie als Vorbild sehen. Ich finde nicht, dass damit nun den männlichen Spielern etwas weggenommen wurde. Ich bin aber auch der Ansicht, dass Spiele keine Pornos sein müssen, jedenfalls keine Mainstream-Spiele. Verstehe nicht, warum diese Sexualisierung sich überhaupt derart eingenistet hat in der Videospiele-Kultur - das heißt, doch ich verstehe es schon: Als ehemalige reine Männerdomäne ergibt das schon Sinn. Das war halt ein weiterer Bereich, wo Männer ihre Fantasien ausleben konnten, nicht nur Machtfantasien, sondern auch sexuelle Fantasien. Da lag es nahe, dass mit immer besserer Grafik auch die sexuelle Darstellung erprobt würde. Nur ist es eben heute keine Männerdomäne mehr, bzw. sollte es nicht mehr sein. Das ist nur noch nicht bei allen angekommen.
Vor diesem Hintergrund der Männerdomäme wird auch klar, warum es umgekehrt kein wirkliches Thema ist. Daran ändern auch Otome-Spiele nichts, zumal es dabei auch viel mehr um Romantik und Kopfkino geht und weniger um das Begaffen riesiger Penisse und deren Ausscheidungen. Mag es vielleicht auch geben, aber das ist wohl vernachlässigbar. Wir haben es hier einfach mit einer weiteren Ausprägung des Patriarchats zu tun. Diese Denke vom Mann als Maßstab und der Frau als Sexobjekt ist direkt auf dieses Erbe zurückzuführen. Vermutlich wäre es nie dazu gekommen, wenn Videospiele nicht nach dem Videospiel-Crash Mitte der 1980er anders als vorher (!) vor allem als ein Hobby für männliche Personen vermarktet worden wären. Aber das hatte natürlich auch seine Gründe. Um dieses große Ganze geht es mir und darum, die Zusammenhänge zu verstehen. Erst dann offenbart sich auch, warum das alles so problematisch ist und sich ändern muss.