SG1984 hat geschrieben:
Die Ideologie von der angeblich autonomen Kust ist schon längst in eine Sackgasse geraten. Kunst hat immer in irgendeiner Weise mit gesellschaftlicher Wirklichkeit zu tun. Sie kann ideologiekritisch als auch selbst Ideologieprodukt sein.
Der Textchef macht es sich etwas leicht, wenn er Videospiele für Kunst erklärt und damit für autonom und unangreifbar. Ist das so eine Art elitärer Mystizismus eines sogenannten "Homo ludens", eines seltsamen Wesens, das im Videospiel das Schaufenster zur Welt erblickt? Was soll diese Adelung von selbstgefälliger Verantwortungs - und Gedankenlosigkeit? Ist Doofsein am Ende auch Kunst?
Im übrigen halte ich Computerspiele nicht für Kunst, da sie einfach keinerlei Reflexionsmöglichkeiten enthalten.
Videospiele schlachten historische und moderne Mythen aus, ähnlich wie Hollywood, können aber keine Sinnstiftung im Sinne einer kritsichen Aneignung von Wirklichkeit leisten. Sie sind eher Synonym für Weltflucht und Rückzug aus der Öffentlichkeit ins private Heim geworden.
Kunst will genau das Gegenteil. Wahrnehmungsfähigkeit und kritische Reflexion, auch Zweifel und Irritation. Nicht einen dieser Punkte kann das Videospiel erfüllen. Es ist Produkt einer industriell gefertigten Massenkultur und die transportierten Inhalte sind ebenso belangslos wie austauschbar. Der Spieler soll sein eigenes HAndeln im Kontext der Inteaktivität eben nicht hinterfragen dürfen. Er soll sich gut fühlen, alle Ecken und Katen werden beseitigt, Er darf Terroristen erschießen und Zivilisten helfen, indem er Terroristen, Ultranationalisten etc. erschießt. Es gibt hierin keinen Widerspruch, der Spieler ist in einer gottgleichen Position, niemanden zur Rechenschaft verpflichtet.
Er darf auf Seiten der Wehrmacht Polen überfallen und sich die Perspektive der deutschen Kriegsführung aneignen, natürlich ohne Hakenkreuze und die unangenehmen Folgen von Krieg und planmäßiger Vernichtung. Das Strategiespiel Panzers lässt den Spieler die absurde Fiktion eines Wehrmachtsfeldzugs ohne Judenverfolgung und -vernichtung nachspielen.
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um es wie der dude zu sagen: "das ist vielleicht deine meinung... mann!"
aber mal wirklich hinterfragt, einige deiner punkte verstehe ich nämlich nicht, bzw. sollten sie erklärt und hinterfragt werden:
"Der Textchef macht es sich etwas leicht, wenn er Videospiele für Kunst erklärt und damit für autonom und unangreifbar."
dieser satz beinhaltet eine kausale logik, die so einfach nicht behauptet werden kann. kunst = autonom und unangreifbar.
das war nie so und wird so nie sein. kunst ist alles andere als unangreifbar, im gegenteil, sie SOLL angreifbar sein, gegenstand einer diskussion, eines kontextes.
wenn der textchef cod4, computer- und videospiele allgemein als kunst deklariert ist er a. nicht der erste und liegt b. damit auch nicht unumstritten daneben.
kunst ist ein zeitkritischer, zeitgenössischer und sehr fliessender begriff. da heutzutage computer- und videospiele die breite masse erreichen und nicht mehr weg zu denkede kulturelle phänomene unserer zeit sind, ist es nicht nur legitim, sondern zwingend notwendig, sie unter dem aspekt der kunst zu untersuchen.
da du den homo ludens ins spiel bringst, wirst du dich vermutlich mit huizinga beschäftigt haben oder zumindest mit schiller, die sich offenkundig mit dem thema spiel als kunstform beschäftigt haben. willst du ihnen das etwa abstreiten?
(verdammt, ich habe das etliche semester lang studiert und jetzt erfahre ich, dass alles total falsch und überflüssig ist ^^)
"Wahrnehmungsfähigkeit und kritische Reflexion, auch Zweifel und Irritation. Nicht einen dieser Punkte kann das Videospiel erfüllen."
absurd. jeden einzelnen dieser punkte erfüllt das computerspiel ebenso wie der film, die musik oder das buch. bedenke, wir diskutieren hier über die moralisch vertretbare komponente eines spiels, reden darüber, wie irritiert einige leute hier dieses spiel gespielt haben, welche zweifel sie hatten, ob das eigentlich alles ok ist. welche der von dir genannten punkte kann man da denn nicht anbringen?
"Es ist Produkt einer industriell gefertigten Massenkultur und die transportierten Inhalte sind ebenso belangslos wie austauschbar.Der Spieler soll sein eigenes HAndeln im Kontext der Inteaktivität eben nicht hinterfragen dürfen."
ah ich sehe schon, du scheinst jemand zu sein, der tatsächlich nur die bildenden künste als kunst akzeptiert. nur der intellektuelle avantgardismus ist die "wahre" kunst.
schade, dass wir medienfuzzies immer noch damit zu kämpfen haben, das phänomen massenkultur als kunstform diskutieren zu dürfen.
naja, zurück zum spiel. genau diesen von dir genannten punkt sehe ich in cod4 sehr wohl hinterfragt. wenn wir als beispiel die erste mission nehmen, in der entweder der spieler selbst oder die ki die entscheidung trifft, ob die schlafenden soldaten erschossen werden oder nicht, wird nicht dann genau dieses eigene handeln hinterfragt? der spieler schlüpft in die rolle eines staatschefs und "spielt" aus eigenen augen die exekution desselbigen. ist das für dich nicht genug hinterfragungswürdiges potential, zu dem dich die entwickler auch eindeutig animieren?
"Er soll sich gut fühlen, alle Ecken und Katen werden beseitigt"
hast du cod4 gespielt? hast du dich wirklich "gut" gefühlt, als du in der black hawk down mission deinen eigenen tod gespielt hast?
sorry, vollkommen haltloses argument, besonders bei diesem spiel.
wie auch immer, ich habe eigentlich nur eine frage an dich:
was muss ein spiel in deinen augen leisten, um für dich als kunst gelten zu können? wie muss es beschaffen sein? wie funktionieren?
und warum kann film kunst sein, spiel aber nicht?
ok, es sind vier fragen, aber fangen wir langsam an
edit: kurz noch nachgehakt, ob wir grob dasselbe thema haben:
würdest du so weit gehen und den film saving private ryan als kunst bezeichnen?
wenn ja, was macht diesen film künstlerisch wertvoll?
und was leistet cod4 nicht? was disqualifiziert es als kunst?
(im spiel gab es sehr viele anlehnungen an ryan, daher der vergleich)